Mittwoch, 29. Juni 2011

Kurt Tucholsky - Prostest gegen die Todesstrafe

Kurt Tucholsky – An den Botschafter
(erstmals veröffentlicht in der Weltbühne am 16.04.1927)

Wie in politischen Kreisen bekannt ist, hat der oberste Gerichtshof in Boston in den Vereinigten Staaten die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die Arbeiter Sacco und Vanzetti abgelehnt, so dass formal einer Vollstreckung des Todesurteils nichts mehr im Wege steht. Als Herausgeber einer Wochenschrift, die seit langen Jahren für die Gerechtigkeit und die Freiheit eingetreten ist, erlaube ich mir, Euer Exzellenz den Protest eines großen deutschen Kreises von Intellektuellen und Angehörigen der arbeitenden Klasse gegen die geplante Hinrichtung dieser beiden Männer zu übermitteln.[Weiter]

Wenn ich die Namen Sacco und Vanzetti höre, dann fällt mir als erstes das Lied von Enrico Moricone und Joan Beaz: „Here's to you“ ein, welches erstmals für einen Film über die beiden aufgenommen wurde. Das es sich dabei um ein Protestlied handelt war mir lange nicht bewusst. Aber man wird älter und klüger.
Anarchisten waren die beiden Herren, Nicola Sacco und Bart Vanzetti, hingerichtet wegen Raubmordes, trotz weltweiter Proteste und einem Prozess der mehr Fragen aufwarf als beantwortete und der deutlich durchscheinen ließ, dass sie sterben sollten weil sie seltsame politische Ansichten hatten. Hier noch mal das Lied, mit ein paar Bildern aus der Zeit:


(gefunden bei You-Tube, bereitgestellt von Accabadora)

Tucholsky schrieb seinen Brief an den Botschafter der USA kurz nach der Urteilsverkündung... und ein paar Monate später, als aller Protest nichts mehr nützte und das Urteil  am  23. August 1927 vollstreckt war dichtete er als Theobald Tiger:

7,7


Sieben Jahre und sieben Minuten
mußten zwei Arbeiterherzen bluten.

Sieben Jahre?
Zellenenge,
Nächte – Luft! – Visionengedränge.
Zehnmal in die Todeskammer –
zehnmal den allerletzten Jammer –
zehnmal: jetzt ist alles aus.
Zehnmal: Grüßt uns die zu Haus!
Zehnmal: vor der eignen Bahre.
Zum Tode verurteilt sieben Jahre.

Sieben Minuten:
Das Blut gerinnt.
Wißt ihr, wie lang sieben Minuten sind –?
Sieben Minuten Krampf und Qual,
Muskeln zucken noch ein Mal –
Blut kocht in Venen – Hebelgekreisch –
es riecht nach angesengtem Fleisch –
irr drehn sich Pupillen – das Ding sitzt gebunden
420 lange Sekunden . . .
Strom weg. Tot? Hallelujah!
Bravo! Bravo, U.S.A. –!

Sieben Jahre und sieben Minuten
mußten zwei Arbeiterherzen bluten.
Sieben Minuten und sieben Jahre –

Diesen Schwur an ihrer Bahre:

Alle für zwei. Ihr starbt nicht allein.
Es soll ihnen nichts vergessen sein.

(Die Weltbühne, 30.08.1927)

Heute geht man davon aus, das Sacco und Vanzetti wirklich unschuldig auf dem elektrischen Stuhl landeten. 1977 rehabilitierte der damalige Senator von Massachusetts die beiden. Aber was ist eine posthume Rehabilitation schon wert?

Egal was man über die anarchistische Bewegung und die Okkupation der beiden Männer durch die weltweite Arbeiter- und spätere Studenten- und Friedensbewegungen auch denken mag, ich finde das es hier vor allem um die Todesstrafe zu gehen hat. 
Sacco und Vanzetti sind ein bekanntes und eindrucksvolles Beispiel dafür, das an dieser Art des legalisierten und vom Staat verordneten Mord nichts gutes dran ist. Wann können sich Richter und Geschworene schon sicher sein, wirklich alle Fakten zu kennen? Ob durch den elektrischen Stuhl, wie durch Tucholskys Worte eindrucksvoll vor Augen geführt oder durch Gaskammer oder Giftspritze, ein erzwungener Tod ist niemals human!
Denn egal welcher politischen Richtung, welchen Glaubens oder welcher Weltanschauung man anhängt, da die Todesstrafe noch nie irgendjemanden vorm Morden abgehalten hat, schaffen wir es ja vielleicht in diesem Jahrhundert endlich davon Abstand zu nehmen.

Grüße,

Dienstag, 28. Juni 2011

Rezension: Der König der Narren - Tanja Kinkel

Reihe: „Die Legenden von Phantasien“
Autor: Tanja Kinkel
Format: Taschenbuch, 367 Seiten
Verlag: Knaur
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3426629956

Klappentext:
„Ich würde nicht auf einen Retter warten“, erwiderte Res energisch, „ich würde uns selbst retten.“
Die Weberinnen von Siridom besitzen eine besondere Gabe: Ihre wunderbaren Teppiche erzählen Geschichten, an die sich kaum noch jemand erinnern kann. Zu den Weberinnen zu gehören, gilt als Ehre; nur selten widersetzt sich eine Frau ihrer Bestimmung.
Die junge Res ist so eine Rebellin. Sie ist nicht bereit sich den Traditionen zu beugen – und stößt auf ein Geheimnis, dass ihre Welt vor dem drohenden Untergang bewahren kann...


Dies ist der zweite Roman aus den „Legenden von Phantasien“ den ich gelesen habe. Es ist die Geschichte eines Mädchens, seiner Träume und Hoffnungen und dem Kampf mit den engen Traditionen ihrer Heimat.

Erste Sätze:
Die Luft war noch feucht und lag schwer auf der Ebene von Kenfra, als Res aus dem Haus schlüfte. Sie fröstelte in dem milchigen, wabernden Nebel, durch den erst wenige Sonnenstrahlen tanzten, aber wenn sie länger wartete, würde ihre Mutter sie heute nicht mehr fortlassen, und es kam ihr vor, als wäre sie die ganzen letzten Tage eingesperrt gewesen.

Inhalt:
Res ist jung und wild und gar nicht so wie eine Weberin sein sollte. Sie träumt von den weiten Phantasiens und davon mit eigenen Augen zu sehen, wovon die Teppiche in der Zunft ihrer Mutter erzählen... und als das Nichts seine an den Rand der Ebene von Kenfras dringt und ihre Heimatstadt Siridom bedroht, sieht sie ihre einzige Chance gekommen, den engen Sitten zu entkommen. Sie macht sich auf ihre Heimat zu retten und ein Mittel gegen das Nichts zu finden...

Hintergründe:
Tanja Kinkel, die man eigentlich als Autorin historischer Romane kennt, hat sich hier auf neues Terrain gewagt. „Der König der Narren“ ist von seinem Thema her eindeutiger ein Jugendroman und da wir es mit einer phantasischen Hauptcharakter handelt, auch eine reine Fantasygeschichte.
Allerdings fand ich es sehr angenehm, das sich Frau Kinkel nicht, wie ich es bei Ralf Isau fand, einer mühsam auf kindlich getrimmten Sprache bedient. Nein, das was Res erlebt ist kein Abenteuer für kleine Kinder, sondern etwas für Jugendliche und junge Erwachsene.
Dabei hat sie sich kein einfaches Thema herausgesucht, denn der Roman spielt parallel zu der eigentlichen „unendlichen Geschichte“. Daran liegt dann auch ein Kritikpunkt... denn wir kennen den Schluss der unendlichen Geschichte und die Regeln, denen Phantasien unterliegt und so läuft leider alles auf ein etwas unbefriedigendes Ende hinaus. Trotzdem ist die Geschichte um Res, die ihr zugelaufene Katze und den „Sühneträger“ kurzweilig, amüsant und auch nicht ohne einiges was man fürs Leben daraus lernen kann.

Bewertung:
Ich habe kein ungespaltenes Verhältnis zu Frau Kinkel. Sie hat ein paar Romane geschrieben, die mir sehr gefielen, aber eigentlich mehr, die bei mir durchfielen. So wusste ich nicht genau, ob dieses Buch nun eines wird, das ich, wie schon andere, nach einiger Zeit wütend oder gelangweilt in die Ecke werfe.
Dieses Mal ist Frau Kinkel diesem Schicksal entkommen. Die Geschichte hat mir gefallen und selbst mit dem etwas lahmen, unbefriedigenden Ende konnte ich leben. Denn ihre Charaktere sind liebevoll gezeichnet und was ich sehr gut fand, sie sind nicht schwarz oder weiß, sondern alle nur Facetten von grau. Die Verbindungen zur eigentlichen „Unendlichen Geschichte“ sind gut gemacht. Es steckt Moral in dem was sie schreibt, aber es ist nicht Moralinsauer... es rutscht zum Ende hin sogar fast in eine Art von Lebensphilosophie. Leider hält die dichte Stimmung des Beginns nicht bis zum Ende durch, aber das ist so ziemlich das einzig schlechte was ich zu diesem Buch sagen kann.

Fazit:
Ein nettes Fantasybuch mit einigen Radschlägen durch Phantasien und Reminiszenzen zu anderen Fantasygeschichten und Weltkulturen. 

Ich vergebe  ✦✦✦✦✧ 



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Wie schon erwähnt stammt es aus einer Mängelexemplarkiste bei Weltbild. Nach dem ersten Band war ich etwas hin- und hergeworfen, habe mich dann aber doch dazu entschlossen, gleich das nächste Buch der Reihe zu lesen.

Bücher führen zu Büchern?
Um nicht noch mehr auf der "Unendlichen Geschichte" herumzureiten, dieses Buch hat mich an ein anderes Buch das schon ewig auf meinem Sub schlummert denken lassen: "Die Haarteppichknüpfer" von Andreas Eschbach.

Habe ich etwas aus diesem Buch gelernt?
Der Weg ist das Ziel!

Montag, 27. Juni 2011

Kurt Tucholsky - Der Panter trifft auf Sherlock Holmes

Peter Panter - Besuch bei Peter Panter
(erstmals erschienen am 01.03.1927 im  Uhu)

1927 erschien der letzte offizielle Sammelband „The Casebook of Sherlock Holmes“, jenem Klassiker und Archetyp all der Kriminalermittler deren Genre in heutigen Buchhandlungen ganze Abteilungen füllen.

Tucholsky widmete ihm vielleicht aus diesem Grund die kleine Geschichte um den Besuch bei Peter Panter zu Hause, in der Sherlock Holmes auf der Suche nach einem anderen Beruf ist...
Allein deswegen sollte man diesen kleinen Text unbedingt lesen. Ich für meinen Teil fand ihn sehr amüsant und er brachte den guten Sherlock und seinen Genossen Watson wieder in mein Gedächtnis.

»Ein Mann ist draußen!« sagte die Haushälterin.
»Ich habe Ihnen nun schon so oft gesagt, Sie möchten nach dem Namen fragen oder um die Karte bitten!« sagte ich.
Truelsen schob ab und kam mit einem riesigen Teetablett wieder herein, darauf lag eine winzige kleine Karte. Sie hatte das wohl im Kino so gesehen . . . Ich las den Namen . . . »Aber bitte! Ich lasse bitten! Der Herr möchte hereinkommen!« – Es war Sherlock Holmes.[weiter]
Sherlock Holmes selbst ist über alle Zeiten hinweg eine Kultfigur geworden. Der exzentrische Brite mit der Pfeife und dem übertriebenen Blick fürs Detail ist ins kulturelle Gedächtnis eingegangen und wird dort auch noch lange verweilen. Schließlich ist er seine eigene CSI-Zweigstelle und Vater aller Ermittler mit großem Verstand und noch größerem, spinnertem Ego.

Krimis sind für mich ein eher unbekanntes Terrain, ich las als Kind die ??? und ein wenig von der vielleicht ebenso beliebten Miss Marple, aber ansonsten komme ich auf meiner Reise in die Literatur eher selten mit diesem Genre in Kontakt. Der einzige Grund warum ich zwischendurch schon mal in die Krimischublade greife ist der, wenn es auch noch ein anderes Thema an diesem Roman gibt, welches mich interessiert. So stolperte ich 2009 dann über die Krimis von Gyles Brandreth.

Dieser hat sich Oscar Wilde zu seinem Ermittler erkoren... und Oscar war dann auch der Grund für mich, das ich diese Bücher auf meinen SuB holte und den ersten Band auch mit viel Freude genoss.
Eine der etwas wichtigeren Nebenfiguren in diesen Krimis ist ein Zeitgenosse Wildes, Sir Athur Conan Doyle... und sein erster Sherlock Holmes Roman „A Study in Scarlett“ spielt bei Brandreth dann auch eine größere Rolle.

Also muss ich meine Nase jetzt auch mal in einen Sherlock Holmes stecken, dies hatte ich mir nämlich vorgenommen ehe ich die Lektüre der Brandreth-Reihe fortsetzen sollte, und da dort jetzt schon der 4. Teil erschienen ist, sollte ich damit endlich mal anfangen.

Für den Monat Juli steht der Doppelband „A Studie in Scarlett / The Sign of the Four“ auf der Leseliste. Ich bin schon gespannt einmal dem Original zu begegnen und nicht nur einer der vielen filmischen Adaptionen... gegen Krimis gucken habe ich nämlich weniger etwas als dagegen sie zu lesen... beim Lesen zeigt sich bei mir nämlich eine unangenehm große Ungeduld endlich dem Täter auf die Spur zu kommen.

Mich erwartet also, Spannung hin oder her, eine fingernägelknabbernde Lesezeit.


Sonntag, 26. Juni 2011

Rezension: Die Geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz - Ralf Isau

Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz
Autor: Ralf Isau
Format: Taschenbuch, 415 Seiten
Verlag: Knaur
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3426632383

Klappentext:

„Was befindet sich hinter diesem Regal?“
„Das hängt immer von dem ab, wer drum herum geht.“
Karl Konrad Koreander ist alles andere als ein Held, der Abenteuer sucht: Sein größter Wunsch ist es, in einer ruhigen Bibliothek zu arbeiten, umgeben von den Geschichten und Legenden, die ihn glücklich machen. Als er das Antiquariat von Thaddäus Tillman Trutz betritt, scheint er seinem Ziel einen Schritt näher zu kommen – noch kann er nicht ahnen, welche Geheimnisse sich hinter den Büchern wirklich verbergen...
Eine magische Geschichte, die beweist, wie wichtig Bücher für unser Leben und unsere Seele sind.

Karl Konrad Koreander, der Antiquar aus der unendlichen Geschichte, der Kinder, und vorallem Bastian Balthasar Bux in der unendlichen Geschichte eher kritsch beäugt, war auch einmal jung. Jung und Ahnungslos... und es war in der finsteren Zeit in Deutschland, als Bücher lieber verbrannt, als gelesen wurden. Mit diesem Band aus der Reihe „Die Legenden von Phantasien“ begleiten wir Herrn Koreander auf seiner eigenen Reise nach Phantasien.

Erster Satz:
Im Zaudern machte ihm so schnell keiner etwas vor.

Inhalt:
Karl Konrad Koreander ist schüchtern, ängstlich und nicht sehr lebenstauglich, als er auf ein Inserat des Antiquars Täddäus Tillmann Tutz antwortet, welcher einen Gehilfen und Nachfolger für seine Buchhandlung sucht. Es ist 1938 und er Tutz hat einen so dringenden Termin, das er vergisst die Urkunde zu unterzeichnen, und so muss sich der Feigling Koreander auf den Weg machen und nach Tutz suchen... denn er braucht nicht nur die Unterschrift um seine Nachfolge anzutreten, aus der Bibliothek des Ladens verschwinden Bücher... und zurück bleibt nicht eine Lücke und etwas Staub, sondern es bleibt Nichts zurück und das ist doch sehr bedenklich.

Hintergründe:
„Die Legenden von Phantasien“ in der einige namhafte deutsche Autoren in einer Homage sich an Michael Endes Phantasien zu schaffen machen sollten und ihre eigene Geschichte rund um diese phantastische Parallelwelt strickten, war kein voller Erfolg sondern wurde nach 6 Büchern von angekündigten 12 abgebrochen. Hineinlesen wollte ich dennoch mal und das habe ich jetzt in Angriff genommen.
Ralf Isau ist mir als Autor schon mit dem vierbändigen „Jahrhundertkind“ untergekommen. Allerdings hat mich dort der Schreibstil und die Thematik doch nicht so angesprochen wie ich es erwartet habe und die Bände sind nach dem ich den ersten gelesen hatte, damals noch über Tauschticket weitergewandert.
In diesem Buch greift er die Gestalt des Karl Konrad Koreander wieder auf, die man schon aus der ursprünglichen „Unendlichen Geschichte“ kennt. Dabei setzt er die weltliche Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus an und entwirft in dem jungen Koreander eine ängstliche und unentschlossene Figur, die sich dann über den Weg durch Phantasien weiterentwickelt.
Koreander ist bereits ein junger Mann und kein Kind mehr, was die Geschichte auch dadurch von der des Bastians deutlich unterscheidet.

Bewertung:
Ich fand den Anfang gut genug um weiter zu lesen, zumal die Person des Koreander noch aus Kindheitserinnerungen sehr vertraut ist und mein Interesse weckte, auch wenn ich über die ganze Reihe schon viel Negatives gehört habe. Allerdings fand ich es so gar nicht so schlecht. Etwas seltsam war es, nach dem die Geschichte in Phantasien weitergeht im Grunde eine Kindergeschichte mit erwachsenen Figuren zu finden, zumindest fand ich den Erzählstil oft etwas banal oder vereinfacht. Da es sich aber um einen erwachsenen Menschen handelte, um den sich diese Geschichte dreht, war ich etwas befremdet und kann bis jetzt nicht wirklich einordnen an wen sich die Geschichte richtet. Auch der Hintergrund, mit dem Nationalsozialismus und dem Zweitenweltkrieg hatte Isau meiner Meinung nach besser einbauen oder gleich ganz weglassen können. Es ist ein schöner Gedanke, das die von den Nazis verbrannten und verbotenen Bücher nicht verschwinden, sondern in der phantasischen Bibliothek aufbewahrt werden, aber der Rest war Schweigen und das war mir ein wenig zu wenig. Zudem ist es ein klassisches Fantasyabenteuer das sehr linear abläuft ganz nach dem Motto: „Wir haben ein Problem... Wir finden jemanden oder etwas das es löst.“ Da sich dies aber zum Ende hin bessert und ein wirklicher Spannungsbogen hinzukommt, schneidet das Buch dann insgesamt doch nicht so schlecht ab, wie ich zwischendurch dachte.

Fazit:
Nettes Büchlein für zwischen durch, mit ein paar sehr phantasievollen Ideen... wenn auch nicht leider nicht gut genug geschrieben um wirklich zu überzeugen.

Ich vergebe ✦✦✦✧✧



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Dieses Buch habe ich mit allen anderen "Legenden aus Phantasien" im Mai 2009 aus einer Mängelexemplarkiste bei Weltbild gefischt.

Bücher führen zu Büchern?
Dieses Buch führt in sich und durch sich nach Phantasien, der phantastischen Welt die Michael Ende kreierte und die für mich zu den absolut besten deutschen Kindergeschichten gehört.

Samstag, 25. Juni 2011

Kurt Tucholsky - Koffer auspacken.

Kurt Tucholsky - Koffer auspacken
(erstmals erschienen
19.02.1927 in der Vossische Zeitung)
Eigentlich habe ich immer so etwas wie eine leichte Fernweh. Ich bin gern unterwegs und sehe mir Neues an, allerdings kann ich mir das viel seltener leisten als mir lieb ist und dieses Jahr lässt ein Urlaub leider auch wieder länger auf sich warten...
Zum Glück aber kann ich in Büchern in die Ferne reisen, oder wie an diesem Text, in den Gefühlen in der Fremde zu sein...
In der Fremde den Koffer auspacken, der etwas später gekommen ist, weil er sich unterwegs mit andern Koffern noch unterhalten mußte: das ist recht eigentümlich.
Du hast dich schon ein bißchen eingelebt, der Türgriff wird leise Freund in deiner Hand, unten das Café fängt schon an, dein Café zu sein, schon sind kleine Gewohnheiten entstanden … da kommt der Koffer. Du schließt auf –
Eine Woge von Heimat fährt dir entgegen.
Das hätte ich jetzt auch gern, nicht den nachreisenden Koffer... aber ich würde gerne in einer Stadt meiner Wahl meinen Plünnen auspacken. Bücher auf dem Nachttisch stapeln, das Bad inspizieren... oder in dem kleinen Café in London von Beatlesmusik und Cheesecake empfangen werden.


Zeitungspapier raschelt, und auf einmal ist alles wieder da, dem du entrinnen wolltest. Man kann nicht entrinnen. Ein Stiefel guckt hervor, Taschentücher, sie bringen alles mit, fast peinlich vertraut sind sie dir, schämst du dich ihrer? Wie zu nahe Verwandte, denen du in einer fremden Gesellschaft begegnest; alle siezen dich, sie aber sagen dir: Du –! und drohen am Ende noch, sprichst du mit einer Frau, schelmisch mit dem Finger. Das mag man nicht.
Wer hat den Koffer gepackt? Sie? Eine warme Welle steigt dir zum Herzen empor. So viel Liebe, so viel Sorge, so viel Mühe und Arbeit! Hast du ihr das gedankt? Wenn sie jetzt da wäre … Sie ist aber nicht da. Und wenn sie da sein wird, wirst du es ihr nicht danken.
Alter, Chauvi... mein lieber Herr T. Würdeste deinen Krempel selbst packen, dann müssteste auch keinem Danke sagen. Noch nich' mal ihr ;)

Die Sachen im Koffer sprechen nicht die Sprache des Landes, nicht die Sprache der Stadt, in der du dich befindest. Ihre stumme Ordnung, ihre sachliche Sauberkeit im engen Raum sind noch von da drüben. Da liegen sie und sprechen schweigend. Mit etwas abwesenden Augen stehst du im Hotelzimmer und erinnerst dich nicht … nein, du bist gar nicht da – du bist da, wo sie herkommen, atmest die alte Luft und hörst die alten, vertrauten Geräusche … Zwei Leben lebst du in diesem Augenblick: eines körperlich, hier, das ist unwahrhaftig; ein andres seelisch, das ist ganz wahr.
Großartig, genau so soll es sein, am Anfang einer Reise, noch ein wenig zwischen hier und dort schwebend. 

Ein Mann, der sich lyrisch Hosen in den Schrank hängt! Schämen solltest du dich was! Tuts ein Junggeselle, dann geht es noch an; mit sachlich geübten Händen baut er auf und packt fort, glättet hier und bürstet da … Ein Verheirateter, das ist immer ein bißchen lächerlich; wie ein plötzlich selbständiges Wickelkind ist er, ohne Muttern, etwas allein gelassen in der weiten Welt.
Herrschaftszeiten, was ein Mann...aber hier geht’s ja nicht nur um fremde Länder andere Sitten, sondern auch um fremde Zeiten, andere Sitten. Mr. Gecko fühlt sich hoffentlich nicht einen Moment lang komisch oder albern, wenn er selbst seinen Koffer packt oder auspackt.


Der Bademantel erinnert nicht nur; in seinen Falten liegen Stücke jener andern Welt, aus der du kamst. Das ist schon so. Aber faltest du ihn auseinander, dann fallen die Stücke heraus, verflüchtigen sich, auf einmal hängt er vertraut und doch fremd da, ein gleichgültiger Bademantel, den das Ganze nicht so sehr viel angeht … Und da ist etwas praktisch zusammengerollt, hier ist ein besonderer Trick des Packens zu sehn, hast du die Krawatten gestreichelt, alter Junge? Als ob du noch nie gereist wärst!
Auf den Bademantel verzichte ich allerdings meistens... ich habe auch Zuhause keinen, und dank dieser Gewichtsrichtlinien beim Gepäck wird auf Flugreisen lieber auf alles unnütze verzichtet. Dafür ist dann Platz um ein paar Bücher mehr mit zurück zu nehmen.

Leicht irr stehst du im Zimmer, in der einen Hand einen Leisten, in der andern zwei Paar Socken, und stierst vor dich hin. Gut, daß dich keiner sieht. Um dich ist Bäumerauschen, ein Klang, Schmettern dreier Kanarienvögel und eine Intensität des fremden Lebens, die du dort niemals gefühlt hast. Tropfen quillen aus einem Schwamm, den du nie, nie richtig ausgepreßt hast. So saftig war er? Hast du das nicht gewußt? Zu selbstverständlich war es, du warst undankbar – das weißt du jetzt, wo es zu spät ist.
Schön wenn Männer auch mal rührselig sein können, das tut gut, vor allem wenn sie vorher solche Chauvis waren, wie Sie, Herr T.

Eine Parfümflasche ist zerbrochen, das gute Laken hat einen grünlichen Fleck, ein Geruch steigt auf, und jetzt erinnert sich die Nase. Die hat das beste Gedächtnis von allen! Sie bewahrt Tage auf und ganze Lebenszeiten; Personen, Strandbilder, Lieder, Verse, an die du nie mehr gedacht hast, sind auf einmal da, sind ganz lebendig, guten Tag! Guten Tag, sagst du überrascht, ziehst den alten Geruch noch einmal ein, aber nach dem ersten Aufblitzen der Erinnerung kommt dann nicht mehr viel, denn was nicht gleich wieder da ist, kommt nie mehr. Schade um das Parfüm, übrigens. Die Flasche hat unten ein hässlich gezacktes Loch, es sieht fast so aus, wie etwas, daraus das Leben entwichen ist … Also das ist dummer Aberglaube, es ist ganz einfach eine zerbrochene Flasche.
Unten, auf dem Boden des Koffers, liegen noch ein paar Krümel, Reisekrümel, Meteorstaub fremder Länder. Jetzt ist der Koffer leer.
Und da liegen deine Siebensachen auf den Stühlen und auf dem Bett, und nun räumst du sie endgültig ein. Jetzt ist das Zimmer satt und voll, fast schon ein kleines Zuhause, und alle Erinnerungen sind zerweht, verteilt und dahin. Noch ein kleines – und du wirst dich auf deiner nächsten Station zurücksehnen: nach diesem Zimmer, nach diesem dummen Hotelzimmer.

Jetzt habe ich noch mehr Fernweh als vorher... wie gern würde ich jetzt auch irgendwo mit einem kleinen Hang zur Sentimentalität meine Koffer auspacken, im Bauch tief drin die Unruhe vor den neuen Abenteuern, die die Luft des fremden Ortes schon mit sich trägt... und gleichzeitig das Gefühl, dass dieser Urlaub endlich ist und somit fast schon Erinnerung bevor er begonnen hat.
Draußen tröpfelt Regen und bringt Novemberstimmung in den Juni. Wer will da nicht packen... oder packen lassen?


Freitag, 24. Juni 2011

Rezension: Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew - Oliver Plaschka

Format: Taschenbuch, 464 Seiten
Verlag: Feder & Schwert
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3867620116

Klappentext:
Fairwater, das Venedig Maryland mit seinen dunklen Kanälen und steinernen Brücken, ist eine Stadt, die Sie auf keiner Karte finden werden. Ihre Bewohner bewahren die Erinnerungen an längst verlorene Zeiten und halten an ihren Träumen fest, doch finstere Kräfte wirken deren Verwirklichung entgegen. Wie ein Hofstaat scharen sich die Hauptfiguren dieses Spiels um den rätselhaften Cosimo van Bergen, den Herrscher über das mysteriöse Netzwerk von Fabriken, die Fairwaters kleinen Talkessel duchwuchern. Birgt seine Tochter Stella, die schlafende Prinzessin, den Schlüssel zum Geheimnis der Stadt – oder ist es Marvin, der in einer von sprechenden Tieren bevölkerten Traumwelt lebt? Der alte Stadtstreicher Sam? Oder gar Lucia, das Kindermädchen? Jeder hat seinen Teil zu erzählen, und jeder hat etwas zu verbergen...

Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew erzählt von der Suche nach dem Wunderbaren im Alltäglichen, doch es ist auch die Geschichte eines Verbrechens und einer unfassbaren Wahrheit.

Das Debüt von Oliver Plaschka ist weder linear noch leicht zu begreifen und damit sicherlich kein Roman im eigentlichen Sinne. Er besteht aus den Erzählungen einzelner Personen, die alle etwas anders sind und man bekommt in Rückblicken Stückchenweise eine sehr seltsame Geschichte aus einer noch viel seltsameren Stadt erzählt.

Erster Satz:
Die Reporterin kam frisch aus D.C. Und wirkte, als wäre sie an diesem Morgen lieber nicht aufgestanden und bereite sich geistig schon wieder auf die Heimreise vor.

Inhalt:
Fairwater ist eine Stadt, die niemand außerhalb wirklich zu kennen scheint, die sich auf keiner Landkarte findet und doch hat sie Einfluss, vor allem auf ihre Bewohner. Selbstmorde sind hier zwischen den stinkenden Flüssen und den Fabrikschloten an der Tagesordnung und als Marvin, ein alter Freund der Reporterin Gloria, verschwindet und letztlich für Tod erklärt wird, ist dies einerseits nichts, was die Bevölkerung überrascht und andererseits vielleicht ein Puzzlestück in einem viel größeren Rätsel.

Hintergründe:
Oliver Plaschka arbeitet mit vielen Mitteln des Postmodernen Romans. Das Buch ist durchsetzt mit Einsprengseln aus Liedern und Gedichten, Im ersten Teil finden sich Zeitungsausschnitte und Mitschnitte von Telefongesprächen. Damit gelingt es Plaschka eine dichte Atmosphäre zu schaffen, die den Leser hinab in die Abgründe seines imaginären Ortes führen soll... und es auch tut, wenn man sich darauf einlassen kann den einzelnen Erzählsträngen zu folgen, die sich nach und nach aufblättern und immer tiefer in das Innere der Stadt und seiner Bewohner führen.
Seine Charaktere sind alle keine normalen Personen, sondern Gestalten, die durch und durch Bewohner dieses Ortes sind. Sie sind verschroben, denken nicht, wie wir es auf der Literatur gewöhnt sind. Sie springen zwischen den Zeiten hin und her, sind in Träumen und Ängsten gefangen. Glauben an Magie, Schicksal und Bestimmungen, die der Leser selbst erst einmal begreifen muss...
Plaschka bedient sich reichlich an den mystischen Geschichten unserer Zeit, Ufos, Fantasy und klassische Mythologie spielen ebenso hinein wie Horrorelemente.


Bewertung:
Eine Bewertung fällt mir bei diesem Buch unheimlich schwer. Die dichte Atmosphäre hat mich schon nach wenigen Seiten für den Roman eingenommen, zumal Plaschka Anspielungen auf andere Werke anderer Autoren einfließen lässt, die mir gefielen und mich gleich in den Strudel hineinzogen. Es ist ein Buch zum Mitdenken und doch, daran bin ich, auch wenn mein Hirnkasten schwere Arbeit leistete, letztendlich gescheitert, denn am Ende des Buches findet sich eine Zusammenfassung der Ereignisse... und ich hab keines davon scheinbar ernst genug genommen um daran den Faden in die Geschichte zu stricken. Wie bewertet man also ein Buch, das man offensichtlich nicht richtig verstanden hat... und das einen doch in einen fast magischen Bann aus Lesevergnügen und großen Interesse geschlagen hat?
Um es wirklich, und im Sinne des Autors, zu begreifen müsste ich es vermutlich noch mal lesen, aber dazu fehlt mir dann doch die Muße. Aber ich setze es abermals auf die Leseliste, und werde es noch mal versuchen, wenn mir der Sinn nach ein wenig Horror und Phantastik steht, denn der Schreibstil und die vielen Anspielungen haben mir doch gut genug gefallen, um es mit ihnen noch mal aufnehmen zu wollen.
Vielleicht komme ich dann doch dahinter, ob der Autor einfach nur zu viel gewollt hat, und ich deshalb mit seinen übergroßen Ideen nicht mithalten konnte, oder ob ich die Dumme war und nur in die richtige Richtung hätte denken müssen... vielleicht sollte man auch einfach die letzten Seiten, die Erklärungen des Autors, nicht lesen. Zuvor hatte ich mir für alles nämlich einen halbwegs sicheren Faden zusammen gestrickt, der erst platzte als ich zu diesem Anhang kam.

Fazit:
Ein wirklich seltsames Stück Literatur, das mit dem Leser ebenso spielt wie mit seinen Figuren. Jeder, der eine lineare Geschichte erwartet, die den Leser langsam mitnimmt, sollte die Finger davon lassen!

Ich vergebe tapfere  ✦✦✦✦✧



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Ich habe lange mit diesem Buch geliebäugelt ohne es aber zu kaufen und als ich mich dann entschieden hatte, es endlich haben zu wollen war es in den Buchläden schon nicht mehr zu finden, also packte ich es in der Vorweihnachtszeit dann endlich in eine Amazonbestellung. Bereut habe ich es nicht und all zu lange hat es ja dann auch nicht auf dem Sub verbracht.

Bücher führen zu Büchern?
Das Buch packte mich an einer stelle, noch recht am Anfang, wo einer der Nebenfiguren behauptete so etwas wie "der Mike Hanlon aus Fairwater" zu sein. Der Hirnkasten brauchte einen Moment, dann sprangs mich nahe zu an. Mike Hanlon - "Es" von Stephen King... für mich schauderlich-süße Jugenderinnerungen.
Vom Stil, wenn auch auf ihre Art sehr anders, kamen mir auch "Fool on the Hill" von Matt Ruff in den Sinn und natürlich "Das Haus" von Mark Z. Danielewski.

Habe ich etwas aus diesem Buch gelernt?
Man muss nichts begreifen um etwas genießen zu können.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Lovelybooks versus Goodreads

Das mich an Lovelybooks so einiges stört, das habe ich ja schon mal geschrieben... der Artikel ist der meistbesuchte auf meinem Blog. Das ist ein wenig seltsam, aber andererseits auch verständlich, viele Kritiken zu Lovelybooks habe ich nämlich im Netz nicht gefunden... und schmutzige Wäschewaschen zieht Leser an wie die Bildzeitung.

Trotzdem mag und möchte ich die beiden Seiten jetzt mal miteinander vergleichen... und ihre Vor- und Nachteile nebeneinander stellen. Dabei ist mir klar, das jeder Leser sicherlich sehr unterschiedliche Vorlieben hat und daher die Meinungen auseinander gehen können. Fühlt euch frei diese mit mir zu teilen.

Erster Eindruck (unangemeldet):

Beide Seiten haben ein recht schlichtes Design. Goodreads ist da noch schmalspuriger als Lovelybooks, das mit ein wenig rot und grau einige Akzente setzt. Da Farben und Optik aber wirklich Geschmackssache sind, kann ich da nur sagen, das mir Goodreads einen Hauch besser gefällt weil es einen ruhigeren Eindruck macht.
Beide Seiten sind für den Nutzer kostenlos.

Genauere Beleuchtung der Startseiten:

Lovelybooks: Hier landet man auf der Startseite mit dem neuen Mississippi-Update. Man sieht also das Wiesenbanner (das gab es vorher auch schon) über dem gut sichtbar ein Login und ein Registrierbutton zu finden sind.Dann zwei Felder mit Autoren und Büchern, die gerade im Gespräch sind im Hauptteil einzelne Themen, die gerade aktuell oder neu sind.
Linker Hand in eigenen Kästen einige der übrigen Angebote, die Lovelybooks macht: Ich kann die Themen grob nach drei Themenbereichen filtern, und einen Lovelybooksfeed abonnierten. Dann sehe ich Neuigkeiten des Lovelybooks Teams, als da wären, der Fragefreitag mit einem aktuellen Autor und weiter Hinweise zu aktuellen Themen auf dem Lovelybooks-Blog, die neusten Rezensionen von Mitgliedern, Buchlisten und der Hinweis, mir doch hier mein eigenes Regal einzurichten. Beliebte Themen und noch mal ein Bereich um im Mississippi nach bestimmten Themen zu fischen.

Großer Vorteil: Es ist alles auf deutsch, also schnell gelesen und verstanden gerade in den sensiblen Bereichen wie den Nutzerbedingungen und den AGBs sehr sinnvoll.
Goodreads: fordert mich erstmal, in meiner eigenen Sprache auf, doch Mitglied zu werden. Eine dicke Anmeldebox samt Feedbutton befindet sich direkt daneben, für den Fall das ich schon registriert bin. Im Hauptteil der Seite sehe ich dann einige Mitglieder die gerade auf Goodreads zu Gange sind. Dann einige Buchlisten mit den Themen: „Meist gelesen“, „Populäre Neuerscheinungen, Juni 2011“, „Populäre Listen“, Quizze und Gruppen die gerade gut besucht sind.
Rechterhand erst mal zwei kleine Links, die mich zu Presseinfos und zu einer Erläuterung wie Goodreads funktioniert leiten, dann ein Hinweis auf einen Goodreads Bookclub, der mit einer Sommeraktion verbunden ist, ein Werbekasten für Bücher. Dann ein Hinweiskasten für interessierte Autoren, der auf das interne Autorenprogramm hinweist, gefolgt von einer Liste mit Genren, hinter denen ich mir dann gezielt Bücher angucken kann, gefolgt vom Trivia Bereich (einer Art endlosem Quiz, an dem man Teilnehmen kann), und einem Zitat, aus einer reichen Auswahl.

Nachteil: Erst einmal ist alles auf englisch, was ein wenig verwirren kann und natürlich ein Hindernis für alle die ohne englische Sprachkenntnisse ist... aber wir sind auf einer amerikanischen Seite, da kann ich eben nichts anderes erwarten.

Auf beiden Seiten sind am Seitenende, wie man es gewöhnt ist, einige Links. Impressum, AGBs etc., wie auf vielen Seiten sehr dezent, also Augen auf und lesen, ehe man sich anmeldet.

Goodreads: ist, wie es scheint auf privater Ebene entstanden, arbeitet aber mit Sponsoren bzw. Investoren.

Lovelybooks: hinter der Seite steckt die „aboutbooks GmbH“, mehr lässt sich auf die Schnelle nicht finden, es sei denn ich klicke mal auf die „Werberubrik“ da erfahre ich dann, das dahinter Holtzbrink,eine ziemlich große Verlagsgruppe, steckt. Schaut ruhig mal auf den Link.

Das beide Seiten Geld mit ihren Usern verdienen ist in heutigen Zeiten selbstverständlich, dafür bekommt man auch etwas geboten. Der Nutzer bekommt es sicherlich nicht direkt zu spüren, aber im Falle von Lovelybooks, kann ich nur sagen, man merkt es... irgendwann, oder besser formuliert: Ich habe es irgendwann bemerkt. Es ist eher unterschwellig, aber wer mal in den Hilfe- und Supportbereich guckt, der wird immer wieder finden, das da Pläne bearbeitet werden und Prioritäten gesetzt werden, die weniger etwas mit Benutzerfreundlichkeit zu tun haben...

Anmeldung:
Ist auf beiden Seiten leicht und unkompliziert. Man wähle einen Nick der zu einem passt und fülle das Anmeldeformular aus, alle persönlichen Angaben kann man sichtbar oder versteckt eingeben, die Anonymität bleibt also in dem Rahmen gewahrt, den man selbst festlegt.

Diese Spannweite reicht von einem absolut öffentlichen Profil, in dem jeder Besucher der Seite in alle Bereiche gucken kann, bis hin zu dem völlig geschlossenen Bereich, in den man nur noch direkte Freunde hinein lässt.
Bei Goodreads lässt sich zusätzlich einstellen welche Sprache man möchte, daraufhin erscheinen dann manche Bereiche in Deutsch... aber nicht alle, etwas Englisch sollte also schon vorhanden sein.

Ist die Anmeldung erfolgt, kann man damit beginnen sich seine Bibliothek einzurichten. Das geht in beiden Fällen entweder sehr langsam, weil man jedes Buch einzeln eingeben muss oder man hat wie ich schon eine Buchdatenbank, dann kann man die Bücher relativ schnell eingeben, in dem man einfach Listen der ISBN Nummern importiert.

Hat man ein Profil erstellt und erst mal ein paar Bücher in die Datenbank eingespeist, bemerkt man gleich einige gravierende Unterschiede zwischen den beiden Seiten.

Lovelybooks Startseite (nach Anmeldung):
Weiterhin fast genau so, wie zu Beginn. Man sieht das Mississippi-Update und mehr nicht, die personalisierteren Seiten findet man nur über ein Dropdown-Menü, aber selbst die dort zu findende persönliche Startseite ist mit der Buchfrage, einigen Buchlisten und nun rechterhand angebrachten Verweisen auf Fragefreitag und Usertreffen erst mal nichts, was mich persönlich betrifft. Scrolle ich ein wenig, so finde ich dann neue Inhalte aus den Gruppen bei denen ich angemeldet bin, Neuigkeiten von Freunden und aktuelle Rezensionen. Und rechts dann eine Box die mir ein paar Mitglieder zeigt, die die gleichen Autoren mögen wie ich oder welche die gleichen Bücher wie ich im Regal haben, gefolgt von ein bisschen Werbung, dem Autor der Woche und einer Buchempfehlung.

Goodreads Startseite (nach Anmeldung):
Hier teilt sich die Startseite in vier Bereiche auf. Disclaimer, was ich alles machen kann und tun sollte, um meine Seite zu personalisieren als da wären: Freunde einladen, Buchgruppen beitreten, Autoren verfolgen. Diesen Disclaimer kann man nachher wegklicken...
Übrig bleiben dann, insofern ich ein paar Autoren gefunden oder Freunde habe, deren neuesten Infos. Welche Bücher neu dazugekommen sind, oder wer wo einen Kommentar hinterlassen hat. Sortiert ist dies immer nach der neuesten Meldung.
Ich kann aber, falls ich noch keine Freunde oder Lieblingsautoren gefunden habe, auch den Reiter wechseln... dann sehe ich, automatisch generiert, Inhalte aus Gruppen denen ich beigetreten bin und aktuelle Buchdiskussionen, von Büchern aus meinem Regel. Englischkenntnisse sind hier allerdings sinnvoll.

Rechterhand sehe ich, sofern eingegeben, Bücher die ich aktuell lese. Den Hinweis auf den Sommerspezial-Buchclub, dann Hinweise auf mein Profil (dort kann ich auch erkennen ob ich neue Nachrichten habe etc.), dann das Widget zur Buch-Challenge, wo mir angezeigt wird, wie weit ich mit meinem persönlichen Leseziel gekommen bin. Ein bisschen Werbung (wenn man keinen Adblock benutzt). Links zu meinen Regalen, eine aktuelle Umfrage und ein Zitat des Tages, runden das ganze ab.

Zum Abschluss des ersten Teils meines Buchcommunity-Vergleichs (es ist doch recht viel, also werde ich diesen Artikel fortsetzen):

Beide Seiten wirken auf den ersten Blick eigentlich ein bisschen wie Zwillinge. Die Unterschiede aber liegen im Detail und ich für meinen Teil kann nur sagen, dass allein schon der Unterschied in den Startseiten mein Herz für Goodreads schlagen lässt. Man muss sich auf beiden Seiten erstmal eine Weile zurechtfinden, aber auf meiner Goodreads Startseite fühle ich mich jetzt, nach wenigen Wochen, schon mehr Zuhause als ich es bei Lovelybooks in einem ganzen Jahr geschafft habe. Die Welt der Bücher ist groß und unübersichtlich... und da tut es gut, gezielt Informationen zu finden, die einen auch wirklich interessieren. Zudem fügt man sich leichter in eine große Gemeinschaft ein, wenn man die Themen findet zu denen man auch etwas zu sagen hat... und das beginnt mit Büchern, die ich schon kenne, oder die ich mir bereits vorgemerkt oder auf den Sub gelegt habe. In all diesen Bereichen hat Goodreads klar die Nase vorn, sofern man den Englisch versteht...

Ich habe mich bemüht, so objektiv wie möglich zu bleiben und genau zu recherchieren, allerdings können mir natürlich Fehler unterlaufen sein. Solltet ihr welche finden, so bin ich daran natürlich genauso interessiert wie an euren Meinungen...

Lieben Gruß,

Mittwoch, 22. Juni 2011

Kurt Tucholsky und die Telefonitis

 Peter Panter:  »'n Augenblick mal –!« 
(erschienen am 01.01.1927, in der Vossischen Zeitung)

Daß der Berliner, an welchem Ort auch immer allein gelassen, nachdenklich dasitzt, den Boden fixiert und plötzlich, wie von der Tarantella gestochen, aufspringt: »Wo kann man denn hier mal telefonieren?« – das ist bekannt. Wenn es keine Berliner gäbe: das Telefon hätte sie erfunden. Es ist ihnen über, und sie sind seine Geschöpfe.
Man stelle sich einen kühnen jungen Mann vor, der einen ernsten Geschäftsmann während einer wichtigen Verhandlung stören will. Es wird ihm nicht gelingen. Hellebarden versperren den Weg, Privatsekretärinnen werfen sich vor die Schwelle, nur über ihre Weichteile geht der Weg, und jeder Angriff des noch so kühnen jungen Mannes muß mißlingen. Wenn er nicht antelefoniert.
Wenn er nämlich antelefoniert, dann kann er den Präsidenten bei der Regierung, den Chefredakteur bei den Druckfehlern, die gnädige Frau bei der Anprobe stören. Denn das berliner Telefon ist keine maschinelle Einrichtung: es ist eine Zwangsvorstellung.
Klopft das Volk drohend an die Türen, macht der Berliner noch lange nicht auf. Klingelt aber ein kleiner Apparat, so winkt er noch dem adligsten Besucher ab, murmelt mit jener Unterwürfigkeitsmiene, wie man sie sonst nur bei gläubigen Sektierern findet: »'n Augenblick mal –!« und wirft sich voll wilden Interesses in den schwarzen Trichter. Vergessen Geschäft, Hebamme, Börse und Vergleichsverhandlung. »Hallo? Ja, bitte? Hier da – wer dort –?«
Einen Berliner fünfzehn Minuten lang, ungestört von einem Telefon, zu sprechen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wieviel Pointen verpuffen da! Wieviel angesammelte Energie raucht zum Fenster hinaus! Wie umsonst sind Verhandlungslist, Tücke und herrlich ausgeknobelte Hinterhältigkeit! Das Telefon ist keine Erfindung der Herren Bell und Reis – der V-Vischer hat die ganze Tücke des Objekts in diesen Kasten gelegt. Es klingelt nur, wenn man das gar nicht haben will.
Wie oft habe ich nun schon erlebt, dass die kräftige Rede eines Besuchers den ganzen Raum überzeugt, gleich ist er auf der Höhe, der Sieg ist nahe, hurra, noch ein Schritt ... da klingelt das Telefon, und alles ist aus. Der dicke Mann am Schreibtisch, der eben noch, dreiviertel hypnotisiert, schon das Doppelkinn auf die Krawatte hat sinken lassen und friedlich die Unterlippe vorgeschoben hat, läßt eine eisige Maske über das gleiten, was er als Gesicht ausgibt. Die nervigte Hand am Telefonhörer, vergißt er Partner, Geschäft und sich selbst. »Hier Dinkelsbühler – wer dort –?« Emsig strudelt er im fremden Gewässer, völlig gefangen vom andern, untreu dem Partner der letzten Minute, ganz hingegeben in Betrug und Verrat.
Der andre ist der Dumme. Hohl und leer sitzt er dabei, das eben noch ausgesprochene pathetische Wort ragt ihm sinnlos aus dem Mund wie eine alte Fahne im Zeughaus, Flagge einer Truppe, die längst gestorben ist. Beschämt sitzt er da, haltlos und nackt, und in ihm kocht dumpf der unerfüllte Wille. Was nun –?
Nun redet der dicke Mann am Schreibtisch so lange, wie man eben in Berlin am Telefon spricht, und es gibt nur noch einen, der mehr redet: das ist der am andern Ende. Der muß wohl rauschen wie ein mittelgroßer Wasserfall: die Augen des Schreibtischmannes schauen gedankenvoll auf ein Löschpapier, wandern über das Tintenfaß, blicken irr und leer dem betrogenen Partner auf die Glatze, nun beginnt er gar Männerchen aufs Papier zu malen und Quadrate, und der andre scheint, wie die Membrane quakend verkündet, ganze Wörterbücher ins Telefon brausen zu lassen.
Schon ruckelt der Gast ungeduldig auf seinem Stühlchen, da nahen sich im unendlichen Gespräch die ersten Anzeichen des Schlusses. »Na denn ... !« – »Also dann verbleiben wir so ... « Dem Gast wirds freudig zumute: so eilt die Seele des Konzertbesuchers in die Garderobe vorauf, wenn es im Orchester bedrohlich laut wird, wenn das Flügelschlagen des Dirigenten Blech und immer mehr Blech ins Getöse wirft ... aber es ist noch nicht so weit. Sie verbleiben noch eine ganze Weile so, setzen immer wieder zu Schlußwendungen an, der Schluß kommt nicht. Langsam steigt in dem Wartenden der Wunsch auf, dem Telefonierenden das Handelsgesetzbuch auf den Kopf zu schlagen ... »Na dann – auf Wiedersehn!« sagt der endlich. Und legt den Hörer hin.
Und das ist der schlimmste Augenblick von allen. In den Augen des Schreibtischmannes wechselt die Beleuchtung, man hört es förmlich knacken, wie er sich umstellt; mit etwas schwachsinnigem Ausdruck wendet er sich zwinkernd dem alten, verratenen Partner wieder zu. »Ja, also – wo waren wir stehengeblieben ... ?«
Nun fang du wieder von vorne an. Nun klaube die zerbrochenen Stücke deiner Rede wieder vom Boden zusammen, nun hole tief Atem, bemühe dich, wieder in Zug zu kommen ... Gute Nacht. Der Schwung ist dahin, der Witz ist dahin, der Wille ist dahin. Lahm geht die Unterredung zu Ende. Nichts hast du erreicht. Das hat mit ihrem Singen die Lorelei getan.

Nun legt der Leser das Buch still und freundlich aus der Hand und denkt einen Augenblick nach. Dann springt er wie ein gejagter Hirsch auf, die ›Mona Lisa‹ lächelt am Boden ... Er eilt zum Telefon.

Jaja, da kann Tucholsky aber froh sein, das zu seiner Zeit das Mobiltelefon noch nicht erfunden war, hm?
Viele der Nervereien aus diesem Text stöent mich ja erst, seit es quasi ein Muss ist immer und überall erreichbar zu sein. Wo man in keiner Kneipe und in keiner noch so netten Runde mit Freunden einfach gemeinsam klönen und zusammen sein kann... ohne von Klingeltönen unterbrochen und zum Verstummen gezwungen zu sein, nur weil gerade per Handy die wichtigsten Koordinaten oder auch einfach irgendwas anderes weitergegeben werden muss.

Ich bin ein Reiseleser... also egal ob ich in der Straßenbahn sitze oder mal in einem Zug, ich möchte lesen... die Zeit zwischen zwei Punkten mit etwas Sinnvollem füllen... was aber die, mit sich herumgetragenen, Quakboxen oft genug unmöglich machen. Da wird in den Hörer gebrüllt bis sich die Balken biegen oder zwei Teenies hören sich die besten Hits aus der Rap- und Powackelszene an, natürlich haben sie das neueste Handy, aber leider die Erfindung des Kopfhörers verpasst. Und ich hab's versucht, meine Stimme erhoben und ein paar Zeilen laut gelesen... gewirkt hat es nichts... leider...

Ach, wäre es doch so, das sich die Telefonitis nur auf Berliner beschränken würde. Im Rest des Landes wäre Ruh' und ich könnte lesen. Auch SMS und Twittereien können stören, aber sie sind wenigstens leise... "'n Augenblick mal..." wird man dennoch zu hören bekommen.

*gg*

Dienstag, 21. Juni 2011

Rezension: Der illustrierte Mann - Ray Bradbury


Der illustierte Mann
Autor: Ray Bradbury
Format: Taschenbuch, 334 Seiten
Verlag: Diogenes
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3257203653

Klappentext:
Eine nächtliche Begegnung auf der Landstraße: Vertrauenerweckend ist er nicht gerade, der seltsame gehetzte Mann mit den vielen Tätowierungen. Und dann beginnen sich diese auch noch zu bewegen... Daraus entstehen Geschichten des Buches, die von anderen Welten erzählen: von Liebe und Einbildungskraft auf dem Mars, von Wahnsinn im Regen der Venus, vom einsamen Tod im unendlichen Raum zwischen den Sternen und von Städten und Dörfern in unserer eigenen Welt, in der Dinge geschehen, die wir nie bemerken, und in der seltsame Wesen Leben, denen wir nie begegnen.

Ray Bradybury entführt den Leser in diesem Band voller Erzählungen, für die der illustrierte Mann den Rahmen bildet, in ferne, zukünftige Welten voller Träume. Manche davon sind wundervolle Märchen, manche sind Alpträume aber immer kommen sie von Menschen und führen zum Menschen zurück... in die Welten der Psyche, der Wünsche und Imagination... so wird das Unbekannte vertraut, das Fremde zum Ich und die Welt zwischen den Sternen zu einer Welt aus tausend und einer endlosen Nacht.

Erster Absatz:
An einem warmen Nachmittag, Anfang September, begegnete ich dem illustrierten Mann zum ersten Mal. Ich befand mich auf der letzten Etappe einer zweiwöchigen Wanderschaft durch Wisconsin und trottete über eine Asphaltstraße. Am späten Nachmittag machte ich Rast, aß etwas Speck, Brot und ein Rosinenbrötchen und wollte mich gerade hinlegen und lesen, als der illustrierte Mann über die Hügelkuppe trat und sich einen Augenblick lang gegen den Himmel abzeichnete.

Inhalt:
Der Band umfasst siebzehn Kurzgeschichten, deren Inhalt ich, da es Kurzgeschichten sind, nur noch kürzer anreissen will um nicht zuviel zu verraten, denen der illustrierte Mann einen schaurig, schönen Rahmen verleiht.

Das Kinderzimmer:
handelt von einer Familie, die sich, in einem vollautomatischem Haushalt ein Kinderzimmer ganz besonderer Art leisten. Es macht in seinen Wänden die Kinderwelt lebendig...

Kaleidoskop:
Ein Raumschiff wird zerstört und seine Mannschaft driftet in Raumanzügen durch das endlose All... gerettet nur noch für die kurze Zeit, da der Sauerstoff reicht und das Intercom sie noch miteinander verbindet.

Die andere Haut:
Einst verzogen sich die Schwarzen von der Welt, entkamen so dem Rassenhass und der Seperation und den endlosen Kriegen auf der Erde... nun kommen die Weißen zurück, sie sind auf dem Weg zum Mars...

Die Landstraße:
in armer mexikanischer Bauer beobachtet die Straße zwischen seinen Feldern, auf der sich plötzlich im höchsten Tempo Autos in einer Art Flucht befinden...

Der Mann:
Ein Raumschiff landet auf einem Planeten, denkt, als Endecker gefeiert zu werden, aber es war schon jemand vor ihnen dort... jemand besonderes, der alles übrige in den Schatten stellt.

Der lange Regen:
Auf der Venus regnet es immer... unendlich... und die Mannschaft eines notgelandeten Raumschiffes versucht in eine der sicheren Sonnenkuppeln zu gelangen.

Die letzte Nacht der Welt:
Es geht genau darum. Über das was geschieht wenn einfach alles zu Ende geht...

Die Verbannten:
Hier knüpft Ray Bradbury ein wenig an sein Fahrenheit 457 an. Literaten, literarische Gestalten und alles was man mit ihnen verbindet, wurden von der Erde verbannt... und so zogen sich die Autoren und ihre Schöpfungen auf den Mars zurück... doch jetzt kommen die Menschen, und mit ihnen, die letzten Bücher...

Kein Abend, kein Morgen:
Was ist wirklich, was nicht. Platons Höhlengleichnis ins Weltall versetzt.

Der Fuchs und der Hase:
Eine Flucht durch Zeit und Raum und ihre Verfolgung.

Der Besucher:
Die an einer Seuche Erkrankten Menschen werden auf den Mars verbannt, dort siechen sie nicht nur langsam dahin, sondern leiden auch an der Trennung von den anderen Menschen und ihrer Welt... dann kommt ein Besucher und er kann diese Trennungsschmerzen lindern...

Der Zementmixer:
Die Marsianer planen die Invasion der Erde, unter ihnen auch der unwillige Ettil. Doch statt in den Krieg zu ziehen, heißt man sie auf der Erde willkommen...

Marionetten AG:
Ein Mann, in einer Ehe gefangen, die ihm nicht passt, bestellt sich eine Marionette, die ihm bis aufs Haar gleicht...

Die Stadt:
Auf der Erde gibt es fleischfressende Pflanzen, auf einem Planten, fern der Erde, gibt es eine Stadt...

Stunde Null:
Die Kinder haben ein neues Spiel. Es heißt Invasion...

Das Raumschiff:
Eine arme Familie träumt den Traum vom Reisen ins All...

Hintergründe:
Dieser Band von Erzählungen wurde 1951 zum ersten mal unter dem Titel „The Illustrated Man“ veröffentlicht. In vielen dieser Geschichten lässt Bradbury den menschlichen Geist gegen den der Technik antreten, andere sind Abenteuergeschichten wo der Mensch auf ungebändigte Natur trifft...
ihnen allen zu eigen ist Bradburys großes Talent mit wenigen Worten und nur auf ein paar Seiten wirkliche Geschichten zu erzählen. Geschichten, die gut und gerne auch jede für sich einen ganzen Roman ergeben könnten, aber nicht müssen.
In diesen Geschichten steht der Mensch gegen die Welt oder im besonderen Maße gegen die Unendlichkeit und das All. Was vorne reingeht ist der Mensch, was hinten rauskommt ist wiederum der Mensch... wenn er Glück hat ein kleinbisschen reifer und weiser.
Maches wirkt ein wenig antiquiert, niemand würde heute noch glauben auf der Venus siedeln zu können... aber das ist nicht wichtig für die Geschichten, denn diese sind in ihrer Moral und ihren philosophischen Fragen vollkommen zeitlos.


Bewertung:
Mr. Gecko las dieses Buch und konnte während der Lektüre nicht an sich halten, und musste mir immer wieder davon erzählen. Letztendlich fand ich das Buch dann, nach dem er es beendet hatte, auf meinem Schreibtisch wieder... ein Lesezeichen an einer Stelle eingefügt und mit den Worten:  Lesen ♡ !", an einer ganz bestimmten Stelle markiert... und so tat ich, was er mir riet. Es war die Geschichte „Die Verbannten“ in der Poe, Shakespeare und Co um ihre Unsterblichkeit kämpften.
Anfang dieses Jahres hatte ich schon die Kurzgeschichtensammlung „Die Laurel & Hardy Liebesgeschichte“ von Bradbury gelesen, und es geschah das gleiche, was mir im Januar schon passiert war. Ich war gefesselt... die Geschichte reichte, alle anderen Lesepläne und Ideen über Bord zu werfen und an den Anfang zu blättern und den ganzen Rest gleich mitzulesen.
Jede dieser Geschichten ist eine Perle. Ich musste mich nicht recken oder strecken, deuten und umdeuten, sie waren so wie sie dort standen genial und zogen mich in ihren Bann. Fantasy und Science Fiction haben oft das Problem, das sie viel Zeit brauchen um den Weltenaufbau zu vermitteln, das man eine Weile braucht, um sich in ihnen zurecht zu finden. Das ist hier nicht nötig. Mars, Venus und alle anderen Orte des Alls sind hier mehr Symbole... einfach und knapp aber durch und durch wirkungsvoll setzt Bradbury sie ein um Geschichten von Menschen zu erzählen. Alte Geschichten, neue Geschichten... ewige Geschichten. Geschichten, wie sie auch am anderen Ende der Galaxie erzählt werden würden, gäbe es dort Menschen wie uns...

Fazit:
Ich lese nicht oft Science Fiction, auch wenn ich mit diesen Geschichten groß geworden bin. Diese Kleinode aber lassen mich niederknien und nach mehr bitten. Das Hirn auf einer Reise durch die endlosen Weiten hin zu sich selbst.

Ich vergebe ✦✦✦✦✦



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Dieses Buch habe ich 2009 auf dem Bücherbummel aus einer Mängelexemplarkiste gefischt... seither schlummerte es im Regal vor sich hin. Nun wurde es vom gesamten Haushalt gelesen und diesen sicherlich nicht mehr verlassen.

Bücher führen zu Büchern?
Dieses Buch führt definitiv zu weiteren Büchern von Ray Bradbury, und ein bisschen zu Shakespeare, Poe und Charles Dickens, auch Asimov und Stanislav Lem kommen mit in den Sinn, auch wenn sie nicht explizit erwähnt werden.


Habe ich etwas aus diesem Buch gelernt?
Vorsicht mit dem was man sich wünscht, es könnte in Erfüllung gehen... und manchmal, wenn man in die Ferne schweift, kommt man sich doch sehr, sehr nah.

Montag, 20. Juni 2011

Kurt Tucholsky trifft Toulouse-Lautrec

Peter Panther - Einer aus Albi
(erschienen 1927 in "Ein Pyrenäenbuch")

Ganz am Ende des Pyrenäenbuches fügt es sich, das Tucholsky, auf der Rückreise nach Paris in Toulouse einen Zwischenstopp einlegt, und weil Toulouse ihm nicht behagt, fährt er weiter nach Albi... dem Geburtsort Henri Toulouse-Lautrecs... und dort stoßen ein Künstler den ich sehr mag und Tucholsky, den ich auch mag, dann aufeinander und ich mag euch jetzt ein paar Textstücke Tucholskys mit ein paar Bildern Toulouse-Lautrecs zeigen.... und wie der eine, den anderen so ins Auge fasst und beschreibt.

„Yvette Guilbert, saluant le public.“ Ich bin kein Bilderdieb – außerdem war das Bild zu groß. Sie stand da, den Oberkörper etwas vorgebeugt, und stützte sich mit einer Hand am zusammengerafften Vorhang. Die langen schwarzen Handschuhe laufen in Spinnenbeine aus. Sie lächelt. Ihr Lächeln sagt: „Schweine. Ich auch. Aber die Welt ist ganz komisch, wie?“ Durchaus „halb verblühende Kokotte, halb englische Gouvernante“, wie Erich Klossowski sie charakterisiert hat. Es ist da in ihr ein Stück Mann, das sich über die Frauen lustig macht, selber eine ist, durchaus – und ganz tief im Urgrund schlummert ein totes kleines Mädchen. Dieser Mund durfte alles sagen. Und er hat alles gesagt.


"Er ist nicht nur der Zeichner der Dirnen gewesen, des Zirkus, des Theaters - ! Er hat soviel andres gekonnt!“ Zugegeben, dass sich ein Teil seiner Bewunderer stofflich interessierten. Aber hier liegt das Einmalige des Mannes, der bittere Schrei in der Lust, der hohe, pfeifende Ton, der da herausspritzt ... Dass dahinter eine Welt der Könnerschaft lag, wer möchte das leugnen - ! Und dass Toulouse-Lautrec kein wollüstig herumtaumelnder Zwerg war, oder ob er es war ... gebt volles Maß!

Eine alte Dame empfing mich in ihrer Wohnung, die in einer stillen Straße liegt. Die Comtesse de Toulouse-Lautrec ist heute vierundachtzig Jahre alt. Sie geht langsam, sie ist frisch, freundlich, gut. Da kam sie auf mich zu, sah mich durch ihre Stahlbrille an ...



 Und an das Ende dieses Artikels setzt Tucholsky einen imagnären Dialog, der ein Bild des Malers zeichnet, wie es wohl gewesen sein mag, als Henri Toulouse-Lautrec,  auf seinen Schöpfer traf...


Wenn ER bläst: wird das Jüngste Gericht gerechter sein als die Verwaltungsbehörden auf Erden, die sich für Gerichte ausgeben? Wenn ER bläst, wird auch dieser kleine, etwas vornehme Mann erscheinen. „Henri de Toulouse!“ ruft der Ausrufer. « Huse –« macht es. „Lautrec!“ ruft der Ausrufer. „Meck-meck!“ – lachen die kleinen Teufel. Da steht er.
„Warum hast du solch einen Unflat gemalt, du?“ fragt die große Stimme. Schweigen.
„Warum hast du dich in den Höllen gewälzt – deine Gaben verschwendet – das Hässliche ausgespreizt – sage!“
Henri de Toulouse-Lautrec steht da und notiert im Kopf rasch den Ärmelaufschlag eines Engels.
„Ich habe dich gefragt. Warum?“
Da sieht der verwachsene, kleine Mann den himmlischen Meister an und spricht:
„Weil ich die Schönheit liebte –„, sagt er.
Ich verabschiede mich von den Pyrenäen und kehre mit Tucholsky nach Paris zurück, in die Stadt, der Toulouse am Ende eines Jahrhunderts ein Gesicht verlieh, von dem wir auch ein Jahrhundert später noch ab und an träumen. Ein bisschen verrufen und kokett... voller Chansons, Künstler, Dichter und Poeten... und Frauen die im Cancan die Röcke fliegen lassen.





PS: Wer sich ein wenig mehr mit Henri Toulouse-Lautrec befassen möchte. Ich habe vor einiger Zeit den Roman Moulin Rouge von Pierre la Mure mit viel Freude gelesen.