Montag, 20. Juni 2011

Kurt Tucholsky trifft Toulouse-Lautrec

Peter Panther - Einer aus Albi
(erschienen 1927 in "Ein Pyrenäenbuch")

Ganz am Ende des Pyrenäenbuches fügt es sich, das Tucholsky, auf der Rückreise nach Paris in Toulouse einen Zwischenstopp einlegt, und weil Toulouse ihm nicht behagt, fährt er weiter nach Albi... dem Geburtsort Henri Toulouse-Lautrecs... und dort stoßen ein Künstler den ich sehr mag und Tucholsky, den ich auch mag, dann aufeinander und ich mag euch jetzt ein paar Textstücke Tucholskys mit ein paar Bildern Toulouse-Lautrecs zeigen.... und wie der eine, den anderen so ins Auge fasst und beschreibt.

„Yvette Guilbert, saluant le public.“ Ich bin kein Bilderdieb – außerdem war das Bild zu groß. Sie stand da, den Oberkörper etwas vorgebeugt, und stützte sich mit einer Hand am zusammengerafften Vorhang. Die langen schwarzen Handschuhe laufen in Spinnenbeine aus. Sie lächelt. Ihr Lächeln sagt: „Schweine. Ich auch. Aber die Welt ist ganz komisch, wie?“ Durchaus „halb verblühende Kokotte, halb englische Gouvernante“, wie Erich Klossowski sie charakterisiert hat. Es ist da in ihr ein Stück Mann, das sich über die Frauen lustig macht, selber eine ist, durchaus – und ganz tief im Urgrund schlummert ein totes kleines Mädchen. Dieser Mund durfte alles sagen. Und er hat alles gesagt.


"Er ist nicht nur der Zeichner der Dirnen gewesen, des Zirkus, des Theaters - ! Er hat soviel andres gekonnt!“ Zugegeben, dass sich ein Teil seiner Bewunderer stofflich interessierten. Aber hier liegt das Einmalige des Mannes, der bittere Schrei in der Lust, der hohe, pfeifende Ton, der da herausspritzt ... Dass dahinter eine Welt der Könnerschaft lag, wer möchte das leugnen - ! Und dass Toulouse-Lautrec kein wollüstig herumtaumelnder Zwerg war, oder ob er es war ... gebt volles Maß!

Eine alte Dame empfing mich in ihrer Wohnung, die in einer stillen Straße liegt. Die Comtesse de Toulouse-Lautrec ist heute vierundachtzig Jahre alt. Sie geht langsam, sie ist frisch, freundlich, gut. Da kam sie auf mich zu, sah mich durch ihre Stahlbrille an ...



 Und an das Ende dieses Artikels setzt Tucholsky einen imagnären Dialog, der ein Bild des Malers zeichnet, wie es wohl gewesen sein mag, als Henri Toulouse-Lautrec,  auf seinen Schöpfer traf...


Wenn ER bläst: wird das Jüngste Gericht gerechter sein als die Verwaltungsbehörden auf Erden, die sich für Gerichte ausgeben? Wenn ER bläst, wird auch dieser kleine, etwas vornehme Mann erscheinen. „Henri de Toulouse!“ ruft der Ausrufer. « Huse –« macht es. „Lautrec!“ ruft der Ausrufer. „Meck-meck!“ – lachen die kleinen Teufel. Da steht er.
„Warum hast du solch einen Unflat gemalt, du?“ fragt die große Stimme. Schweigen.
„Warum hast du dich in den Höllen gewälzt – deine Gaben verschwendet – das Hässliche ausgespreizt – sage!“
Henri de Toulouse-Lautrec steht da und notiert im Kopf rasch den Ärmelaufschlag eines Engels.
„Ich habe dich gefragt. Warum?“
Da sieht der verwachsene, kleine Mann den himmlischen Meister an und spricht:
„Weil ich die Schönheit liebte –„, sagt er.
Ich verabschiede mich von den Pyrenäen und kehre mit Tucholsky nach Paris zurück, in die Stadt, der Toulouse am Ende eines Jahrhunderts ein Gesicht verlieh, von dem wir auch ein Jahrhundert später noch ab und an träumen. Ein bisschen verrufen und kokett... voller Chansons, Künstler, Dichter und Poeten... und Frauen die im Cancan die Röcke fliegen lassen.





PS: Wer sich ein wenig mehr mit Henri Toulouse-Lautrec befassen möchte. Ich habe vor einiger Zeit den Roman Moulin Rouge von Pierre la Mure mit viel Freude gelesen.

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