Freitag, 24. Juni 2011

Rezension: Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew - Oliver Plaschka

Format: Taschenbuch, 464 Seiten
Verlag: Feder & Schwert
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3867620116

Klappentext:
Fairwater, das Venedig Maryland mit seinen dunklen Kanälen und steinernen Brücken, ist eine Stadt, die Sie auf keiner Karte finden werden. Ihre Bewohner bewahren die Erinnerungen an längst verlorene Zeiten und halten an ihren Träumen fest, doch finstere Kräfte wirken deren Verwirklichung entgegen. Wie ein Hofstaat scharen sich die Hauptfiguren dieses Spiels um den rätselhaften Cosimo van Bergen, den Herrscher über das mysteriöse Netzwerk von Fabriken, die Fairwaters kleinen Talkessel duchwuchern. Birgt seine Tochter Stella, die schlafende Prinzessin, den Schlüssel zum Geheimnis der Stadt – oder ist es Marvin, der in einer von sprechenden Tieren bevölkerten Traumwelt lebt? Der alte Stadtstreicher Sam? Oder gar Lucia, das Kindermädchen? Jeder hat seinen Teil zu erzählen, und jeder hat etwas zu verbergen...

Fairwater oder die Spiegel des Herrn Bartholomew erzählt von der Suche nach dem Wunderbaren im Alltäglichen, doch es ist auch die Geschichte eines Verbrechens und einer unfassbaren Wahrheit.

Das Debüt von Oliver Plaschka ist weder linear noch leicht zu begreifen und damit sicherlich kein Roman im eigentlichen Sinne. Er besteht aus den Erzählungen einzelner Personen, die alle etwas anders sind und man bekommt in Rückblicken Stückchenweise eine sehr seltsame Geschichte aus einer noch viel seltsameren Stadt erzählt.

Erster Satz:
Die Reporterin kam frisch aus D.C. Und wirkte, als wäre sie an diesem Morgen lieber nicht aufgestanden und bereite sich geistig schon wieder auf die Heimreise vor.

Inhalt:
Fairwater ist eine Stadt, die niemand außerhalb wirklich zu kennen scheint, die sich auf keiner Landkarte findet und doch hat sie Einfluss, vor allem auf ihre Bewohner. Selbstmorde sind hier zwischen den stinkenden Flüssen und den Fabrikschloten an der Tagesordnung und als Marvin, ein alter Freund der Reporterin Gloria, verschwindet und letztlich für Tod erklärt wird, ist dies einerseits nichts, was die Bevölkerung überrascht und andererseits vielleicht ein Puzzlestück in einem viel größeren Rätsel.

Hintergründe:
Oliver Plaschka arbeitet mit vielen Mitteln des Postmodernen Romans. Das Buch ist durchsetzt mit Einsprengseln aus Liedern und Gedichten, Im ersten Teil finden sich Zeitungsausschnitte und Mitschnitte von Telefongesprächen. Damit gelingt es Plaschka eine dichte Atmosphäre zu schaffen, die den Leser hinab in die Abgründe seines imaginären Ortes führen soll... und es auch tut, wenn man sich darauf einlassen kann den einzelnen Erzählsträngen zu folgen, die sich nach und nach aufblättern und immer tiefer in das Innere der Stadt und seiner Bewohner führen.
Seine Charaktere sind alle keine normalen Personen, sondern Gestalten, die durch und durch Bewohner dieses Ortes sind. Sie sind verschroben, denken nicht, wie wir es auf der Literatur gewöhnt sind. Sie springen zwischen den Zeiten hin und her, sind in Träumen und Ängsten gefangen. Glauben an Magie, Schicksal und Bestimmungen, die der Leser selbst erst einmal begreifen muss...
Plaschka bedient sich reichlich an den mystischen Geschichten unserer Zeit, Ufos, Fantasy und klassische Mythologie spielen ebenso hinein wie Horrorelemente.


Bewertung:
Eine Bewertung fällt mir bei diesem Buch unheimlich schwer. Die dichte Atmosphäre hat mich schon nach wenigen Seiten für den Roman eingenommen, zumal Plaschka Anspielungen auf andere Werke anderer Autoren einfließen lässt, die mir gefielen und mich gleich in den Strudel hineinzogen. Es ist ein Buch zum Mitdenken und doch, daran bin ich, auch wenn mein Hirnkasten schwere Arbeit leistete, letztendlich gescheitert, denn am Ende des Buches findet sich eine Zusammenfassung der Ereignisse... und ich hab keines davon scheinbar ernst genug genommen um daran den Faden in die Geschichte zu stricken. Wie bewertet man also ein Buch, das man offensichtlich nicht richtig verstanden hat... und das einen doch in einen fast magischen Bann aus Lesevergnügen und großen Interesse geschlagen hat?
Um es wirklich, und im Sinne des Autors, zu begreifen müsste ich es vermutlich noch mal lesen, aber dazu fehlt mir dann doch die Muße. Aber ich setze es abermals auf die Leseliste, und werde es noch mal versuchen, wenn mir der Sinn nach ein wenig Horror und Phantastik steht, denn der Schreibstil und die vielen Anspielungen haben mir doch gut genug gefallen, um es mit ihnen noch mal aufnehmen zu wollen.
Vielleicht komme ich dann doch dahinter, ob der Autor einfach nur zu viel gewollt hat, und ich deshalb mit seinen übergroßen Ideen nicht mithalten konnte, oder ob ich die Dumme war und nur in die richtige Richtung hätte denken müssen... vielleicht sollte man auch einfach die letzten Seiten, die Erklärungen des Autors, nicht lesen. Zuvor hatte ich mir für alles nämlich einen halbwegs sicheren Faden zusammen gestrickt, der erst platzte als ich zu diesem Anhang kam.

Fazit:
Ein wirklich seltsames Stück Literatur, das mit dem Leser ebenso spielt wie mit seinen Figuren. Jeder, der eine lineare Geschichte erwartet, die den Leser langsam mitnimmt, sollte die Finger davon lassen!

Ich vergebe tapfere  ✦✦✦✦✧



Wie und wann kam das Buch zu mir?
Ich habe lange mit diesem Buch geliebäugelt ohne es aber zu kaufen und als ich mich dann entschieden hatte, es endlich haben zu wollen war es in den Buchläden schon nicht mehr zu finden, also packte ich es in der Vorweihnachtszeit dann endlich in eine Amazonbestellung. Bereut habe ich es nicht und all zu lange hat es ja dann auch nicht auf dem Sub verbracht.

Bücher führen zu Büchern?
Das Buch packte mich an einer stelle, noch recht am Anfang, wo einer der Nebenfiguren behauptete so etwas wie "der Mike Hanlon aus Fairwater" zu sein. Der Hirnkasten brauchte einen Moment, dann sprangs mich nahe zu an. Mike Hanlon - "Es" von Stephen King... für mich schauderlich-süße Jugenderinnerungen.
Vom Stil, wenn auch auf ihre Art sehr anders, kamen mir auch "Fool on the Hill" von Matt Ruff in den Sinn und natürlich "Das Haus" von Mark Z. Danielewski.

Habe ich etwas aus diesem Buch gelernt?
Man muss nichts begreifen um etwas genießen zu können.

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