Dienstag, 24. Mai 2011

Rezension: Erzähler der Nacht - Rafik Schami

Autor: Rafik Schami
Format: Taschenbuch, 273 Seiten
Verlag: Beltz
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3407789877

„Erzähler der Nacht“ von Rafik Shami erzählt ein modernes Märchen über einen alten Erzähler, der verstummt als seine Muse ihn verlässt. Es ist eine Geschichte über die Magie der Erzählung, ein modernes Märchen. Ein wenig wie die „Unendliche Geschichte“ für junge Erwachsene.

Der erste Satz:
Wie der 
Kutscher Salim sitzend zu
seinen Geschichten kam und
sie unendlich lange frisch halten konnte.

Inhalt:
Salim der Kutscher und der beliebteste Geschichtenerzähler von Damaskus ist alt geworden und so scheint es auch seiner Fee zu gehen, denn sie nimmt Abschied von ihm und zurück bleibt der alte Mann mit nur noch 21 Worten und diese sind schnell verbraucht. Doch es gibt einen Ausweg. Sollte Salim in den nächsten drei Monaten sieben einmalige Geschenke bekommen, dann wird eine neue Fee an seine Seite treten und sich seine Zunge wieder lösen.
Dies ist eine Herausforderung die Salims Freunde, die alten Männer, die sich allabendlich bei ihm treffen, annehmen um ihrem Freund zu helfen. Aber sieben einmalige Geschenke sind gar nicht so leicht zu finden.

Hintergründe:
Die Geschichte wird aus den Augen eines Jungen erzählt, und dieser Erzähler ist Schami selbst, so ist man geneigt zu vermuten. Nur ein Kind kann so leicht mir den fantastischen Elementen umgehen, die dieses Buch durchziehen. Der Junge hinterfragt nicht und gibt alles so wieder, wie er es gehört und selbst erlebt hat. So ist auch der Sprachstil einfach und klar, aber sehr märchenhaft. Damaskus erscheint als die Wiege aller Geschichten, die wie in 1001 Nacht erzählt werden. Realität und Märchen gehen dort, an diesem mythischen Ort, welchen Schami erschaffen hat, Hand in Hand und lassen sich nur schwer von einander trennen. Sie existieren beide und sind gleichbedeutend wertvoll, was mich als Leser in eine Welt entführt, die mir eigentlich fremd ist. So wird die Realität in der diese Geschichte angesiedelt ist, die Zeit des Regimes und die Angst der Menschen vor dem Geheimdienst zwar eingeflochten und teilweise verspottend aufgegriffen, doch steht sie nicht im Vordergrund. Für den Autor sind die Menschen wichtig, die Damaszener, in all ihrer ethnischen und kulturellen Vielfalt, und sie bekommen durch ihn eine Stimme in ihren Geschichten innerhalb der Geschichte.

Auszug aus dem Buch der 1000 Bücher, Harenbergverlag:
Die Geschichten, die Schami in dem Buch sammelt, sind nicht am Schreibtisch entstanden. Der Autor erzählte sie auf seinen vielen Lesungen und entwickelte sie so lange weiter, bis sie schließlich für die Buchveröffentlichung reif waren. Schami lässt seine Erzählung im Jahr 1959 spielen – kurz vor dem Einzug des Transistorradios in Syrien, das ebenso wie der zunehmende Einfluss westlicher Traditionen dazu geführt habe, dass die Erzählkunst heute auch im Orient nicht mehr so weit verbreitet ist wie noch Ende der 1950er Jahre.

Bewertung:
Ich musste schon ein wenig an mir arbeiten um den märchenhaften Ton dieses Buches akzeptieren zu können. Auch wenn ich gerne phantastische Stoffe lese, tue ich mich mit Märchen sehr schwer, weil die Erzählweise eher dem gesprochenen als dem geschriebene Wort ähnelt und zudem mit wirklich überdimensionalen Effekten nicht gegeizt wird. Allerdings haben Rafik Schamis Worte, in ihrer klaren, einfachen Art auch einen Zauber, dem ich mich über die Seiten hinweg nicht entziehen konnte. Vor allem Salim, die stumme Hauptperson der Geschichte, hat es mir dann doch angetan, denn er scheint sich mit dem Verstummen langsam aber sicher abzufinden und malt mit den Augen ein wirklich märchenhaftes Bild von Damaskus und seinen Bewohnern...
Das Buch ist zudem sehr schon gestaltet, mit Borten über dem Text, kleinen Inhaltsangaben über den Kapiteln und in den abschließenden Worten auf das nächste Kapitel verweisend und erinnerte mich daher wirklich ein wenig an die „Unendliche Geschichte“. Auch wenn das Buch nach 274 Seiten endet, so könnte es doch noch ewig weitergehen.

Fazit:
Wer Märchen mag kommt hier voll und ganz auf seine Kosten, zumal wenn er die alten orientalischen Geschichten liebt. Es ist ein Buch wie aus 1001 Nacht, wenn auch nicht ganz so umfangreich. 

Ich vergebe ✦✦✦✦✧  


Samstag, 21. Mai 2011

Lokalkolorit und SuB-Zuwachs

Ich war heute morgen auf dem Flohmarkt an der Kreuzkirche, diese liegt an der Nordstraße im Düsseldorfer Norden und er findet ein- oder zweimal im Jahr statt. Er ist für Büchersüchtlinge wie mich immer einen Besuch wert, denn hier trödeln viele Menschen, die man sonst nicht auf Flohmärkten findet und neben dem üblichen Haushalts- und Kinderzeug findet man an fast jedem Stand auch eine Bücherkiste und einen reinen Bücherstand im Innenbereich.

Natürlich habe auch ich wieder etwas gefunden... ich kann ja nicht ohne noch mehr Bücher... und das wo ich gerade lese wie eine Schnecke. Aber genug gejammert, die Ausbeute war gut und freut mich.


Pablo Neruda - Ich bekenne ich habe gelebt
Eine Autobiographie des chilenischen Dichters, in die ein kurzes Hineinlesen mich bereits davon überzeugte, dass sie zumindest sprachlich sehr sehr großartig ist. Von ihm schlummert auch noch ein Gedichtband hier rum. 

Eine Geschichte aus den zwanziger Jahren in Düsseldorf. Wenn es mir nicht gefällt, dann geht es an meine Schwiegermutter, die liest nicht viel, aber wenn dann gerne historisch.




Brandon Mull - Fabelheim
Kinderfantasy, da will ich nur mal reinlesen, weil es mir in letzter Zeit so oft unter die Nase gekommen ist. Wenn es nichts taugt, dann geht es weiter zu Mein Buch-Dein Buch, da der Zustand noch fast perfekt ist.

Passend zu Tucholsky und der ganzen übrigen Faszination die mich im Moment erfasst hat. Ausnahmsweise mal wieder ein Sachbuch für das ich hoffentlich in nächster Zeit die Motivation finden werde.


Alles in allem eine schöne kleine Ausbeute für einen kleinen Flohmarkt und mehr als ich manchmal auf einem der Großen finde. Die Unternehmung schloss dann noch mit einem Latte Macchiato und einem Cornetto ab... und morgen ist dann Radschlägermarkt. Der ist bei mir ums Eck und auch nur zum Schauen schön... sollte ich aber was finden, dann erzähle ich es euch.

Lieben Gruß,

Freitag, 20. Mai 2011

Kurt Tucholsky - Gruß zurück von mir

Kaspar Hauser - Gruss nach Vorn
(erschienen in der Weltbühne, 06.04.1926, Nr. 14, S. 555, und in "Mona Lisa")

Lieber Leser 1985 –!
Durch irgendeinen Zufall kramst du in der Bibliothek, findest die ›Mona Lisa‹, stutzt und liest. Guten Tag.
Ich bin sehr befangen: du hast einen Anzug an, dessen Mode von meinem damaligen sehr absticht, auch dein Gehirn trägst du ganz anders ... Ich setze dreimal an: jedesmal mit einem andern Thema, man muß doch in Berührung kommen ... Jedesmal muß ich es wieder aufgeben – wir verstehen einander gar nicht. Ich bin wohl zu klein; meine Zeit steht mir bis zum Halse, kaum gucke ich mit dem Kopf ein bißchen über den Zeitpegel ... da, ich wußte es: du lächelst mich aus.
Alles an mir erscheint dir altmodisch: meine Art, zu schreiben und meine Grammatik und meine Haltung ... ah, klopf mir nicht auf die Schulter, das habe ich nicht gerne. Vergeblich will ich dir sagen, wie wir es gehabt haben, und wie es gewesen ist ... nichts. Du lächelst, ohnmächtig hallt meine Stimme aus der Vergangenheit, und du weißt alles besser. Soll ich dir erzählen, was die Leute in meinem Zeitdorf bewegt? Genf? Shaw-Premiere? Thomas Mann? Das Fernsehen? Eine Stahlinsel im Ozean als Halteplatz für die Flugzeuge? Du bläst auf alles, und der Staub fliegt meterhoch, du kannst gar nichts erkennen vor lauter Staub.
Soll ich dir Schmeicheleien sagen? Ich kann es nicht. Selbstverständlich habt ihr die Frage: ›Völkerbund oder Paneuropa?‹ nicht gelöst; Fragen werden ja von der Menschheit nicht gelöst, sondern liegen gelassen. Selbstverständlich habt ihr fürs tägliche Leben dreihundert nichtige Maschinen mehr als wir, und im übrigen seid ihr genau so dumm, genau so klug, genau so wie wir. Was von uns ist geblieben? Wühle nicht in deinem Gedächtnis nach, in dem, was du in der Schule gelernt hast. Geblieben ist, was zufällig blieb; was so neutral war, dass es hinüberkam; was wirklich groß ist, davon ungefähr die Hälfte, und um die kümmert sich kein Mensch – nur am Sonntagvormittag ein bißchen, im Museum. Es ist so, wie wenn ich heute mit einem Mann aus dem Dreißigjährigen Krieg reden sollte. »Ja? gehts gut? Bei der Belagerung Magdeburgs hat es wohl sehr gezogen ... ?« und was man so sagt.
Ich kann nicht einmal über die Köpfe meiner Zeitgenossen hinweg ein erhabenes Gespräch mit dir führen, so nach der Melodie: wir beide verstehen uns schon, denn du bist ein Fortgeschrittener, gleich mir. Ach, mein Lieber: auch du bist ein Zeitgenosse. Höchstens, wenn ich ›Bismarck‹ sage und du dich erst erinnern mußt, wer das gewesen ist, grinse ich schon heute vor mich hin: du kannst dir gar nicht denken, wie stolz die Leute um mich herum auf dessen Unsterblichkeit sind ... Na, lassen wir das. Außerdem wirst du jetzt frühstücken gehen wollen.
Guten Tag. Dies Papier ist schon ganz gelb geworden, gelb wie die Zähne unsrer Landrichter, da, jetzt zerbröckelt dir das Blatt unter den Fingern ... nun, es ist auch schon so alt. Geh mit Gott, oder wie ihr das Ding dann nennt. Wir haben uns wohl nicht allzuviel mitzuteilen, wir Mittelmäßigen. Wir sind zerlebt, unser Inhalt ist mit uns dahingegangen. Die Form war alles.
Ja, die Hand will ich dir noch geben. Wegen Anstand.
Und jetzt gehst du.
Aber das rufe ich dir noch nach: Besser seid ihr auch nicht als wir und die vorigen. Aber keine Spur, aber gar keine –

Ich lasse den Text heute mal alleine und im Zusammenhang stehen... es ist nicht mal mehr 1985 sondern 2011, aber noch immer vermag Tucho mir einen Schauer über den Rücken zu jagen. Er hat so recht, die Welt an sich, hat sich gar nicht so sehr verändert... oder?
Eigentlich müsste ich mich total freuen und Luftsprünge machen, denn Mr. Gecko hat mir heute ein wunderbares und viel zu frühes Geburtstagsgeschenk gemacht. Ich habe jetzt die gesammelte Weltbühne hier stehen von 1918-1933... alte Taschenbücher, der Reprint von 1978, so ausgeblichen und vergilbt, das man glauben könnte es wären die Originale.
Das ist so fantastisch... und ich freue mich auch, aber wie ich noch die Bücher in meine Datenbank einpflege und ein Plätzchen in meiner viel zu vollen Bibliothek suche,  da stolpere ich im Netz über ein altbekanntes Zitat:
"Ein kleiner dicker Berliner wollte mit einer Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten." 
Erich Kästner 
... und da packt mich der Erich am Nacken und der dicke Berliner rollt über mich hinweg und jetzt sitze ich hier und verdrücke ein paar Tränchen. Wie schrecklich wenn man in die Welt brüllt und keiner mag zuhören... und das war nicht nur damals so... Nein, viel hat sich nicht wirklich geändert von damals zu heute. Aber ich lese sie und denke mir, es müssten mehr sein die das tun. Mehr... denn in ihren Texten sind sie noch bei uns, der Tucholsky und der Kästner. Und jetzt gerade, in diesem Moment, da wünsche ich mir, das sie ewig leben.

Stille Grüße,

Donnerstag, 19. Mai 2011

Scarlett Letter #2 - Weltuntergang am 21. Mai 2011


Am Samstag. den 21.Mai 2011 geht für einige christliche Fundamentalisten in den USA die Welt unter. Das ist verdammt traurig... warum habe ich dieses Blog eigentlich erst eröffnet? Was mache ich mit den letzten 1 1/2 Tagen.... aber mal im Ernst, wenn das so ist, was machen diese Christen nur bis dahin? Gehen sie noch arbeiten oder leeren sie lieber ihren Weinkeller? Die Welt Online hat einen schönen kleinen Artikel dazu verfasst. Das Ende ist nah!

Ich bin zur Zeit erkältet und irgendwie ist mir gerade nicht nach Endzeit zumute. Eigentlich wollte ich in meinem nächsten Scarlett Letter auch nicht über seltsame christliche Ideen sprechen, sondern erst einmal meine Werte formulieren und erklären woher sie kommen. Aber das muss jetzt warten, bis die Prophezeiung sich nicht bewahrheitet hat. Denn das diese Menschen im Unrecht über ihre Annahme sind ist für mich zumindest sehr klar... und wenn nicht, dann werde ich ziemlich bald in der Hölle schmoren und wissen, dass ich unrecht hatte.

Wer nicht weiß was uns Übermorgen erwartet, der kann ja mal hier nachschlagen:
Bibel Online - die ersten Sechs Siegel
Rein literarisch betrachtet ist das ein echt gutes Stück Horrorliteratur und hat sich über die Menschheitsgeschichte immer wieder in Motiven der Kunst und Literatur niedergeschlagen. Ich zweifle aber arg daran ob man das Ende der Welt derart wörtlich nehmen sollte. Interpretationen dazu gibt es ebenso viele und niemand, auch kein Atheist zweifelt daran, das wir selbst gerade ganz gut dabei sind unseren eigenen Weltuntergang zu beschleunigen, aber das hat nichts damit zu tun, das sich die Sonne verdunkelt, vier apokalyptische Reiter erscheinen... und Jesus zur Erde zurückkehrt.
Klimawandel und Umweltverschmutzung, das starke Gefälle zwischen Arm und Reich in der Welt, das sind reale Probleme und die schafft man nicht aus der Welt in dem man betet und sich auf die erhoffte Erlösung vorbereitet.
Wenn also am Samstag nicht die Welt untergeht, vielleicht sollte nach dem "Rapture-Day" am 22. Mai, also am Sonntag ein "Reality-Day" folgen?


Sollte ich dennoch irren dann hoffe ich das die vier apokalyptischen Reiter so cool sind wie bei Terry Pratchett... TOD wollte ich immer schon mal die knochige Hand schütteln... und dann wegrennen wie Rincewind.

Man sieht sich vor und nach dem Weltuntergang.
Liebe Grüße,

Mittwoch, 18. Mai 2011

Kurt Tucholsky - Standesdünkel und Zeitung

Ignaz Wrobel - Standesdünkel und Zeitung
(erschienen am 16.03.1926,  In der Weltbühne Nr. 11, S. 417)

Schnee von Vorgestern und welcher von Gestern, möchte man vielleicht meinen, aber noch hat Herr Guttenberg leider nicht seinen guten Leumund verloren. Daran wurde ich beim Lesen des Textes von Tucholsky erinnert und möchte ihn hiermit auch noch mal in einem neueren Kontext zitieren, denn was mich an der ganzen Plagiatsaffäre am meisten verärgert hat ist die Haltung vieler Deutscher zu einem Betrug. Der arme, arme Gutti...
Der Respekt, womit in Deutschland jeder ›Fachmann‹ bewundernd zu seinem eignen Kram aufsieht, ist mehr als lächerlich. Es hat den Anschein, als habe es noch niemals Ingenieure, Buchbinder, Fleischermeister und Ärzte gegeben...
...oder Juristen und Verteidigungsminister...

als gäbs auch anderswo keine, und wenn man die meist mittelmäßige Ausbildung des Durchschnitts kennt, der seine Sache eben so recht und schlecht macht, wie es zu allen Zeiten alle Menschen gemacht haben, mutet diese Feierlichkeit doppelt komisch an.
Und wenn er beim Betrügen erwischt wird, dann jammert man sich die Seele aus dem Leib und die scharwenzelnde  Presse heult dem geliebten Kindchen hinterher. Siehe Tucholsky:

Gefährlich und weitaus übler wird diese übersteigerte Berufseitelkeit, wenn sie sich auf die Zeitung erstreckt. Hier wird von sämtlichen Berufsgruppen wahrhaft gemein gewirtschaftet.
Da biedern sie sich an, lügen munter weiter oder beschönigen was alles andere als schön ist oder vergleichen Äpfel mit Birnen. Da wird das Schummeln in der Mathe Klausur mit dem Raub geistigen Eigentums und das erschleichen eines Doktortitels gleichgesetzt. Wie bitte?

Jeder Schlosser hat heute ein ›Berufsproblem‹, und jeder Privatdozent hält sich für den Nabel der Welt; mit der Stirn am Boden, über dem demütig gebeugten Kopf ein Opfertier (wahrscheinlich einen Hammel) haltend, so hat sich der Gläubige dem Tempel zu nahen. Es ist aber gar kein Tempel da. ...
Herr Guttenberg hat  ein Familienproblem und wenig Zeit, dafür hat die größte Boulevardzeitung Deutschlands viel Zeit und geneigte Leser die ihm diesen Mist abnehmen.

Vorhanden ist nur – von den Laternenanzündern bis herunter zu den Richtern – ein Berufsgrößenwahn, dem zu huldigen die Zeitung mit allen Mitteln gezwungen wird.
Leider wurde dort niemand gezwungen, man liebt ihn auch so, siehe Facebook... aber Schafe dürfen eigentlich keine Politik machen, die gehören geschoren.

Der ›wissenschaftliche Charakter‹ des Standes wird betont. Man sollte nicht glauben, dass der lächerliche Doktortitel auch in die praktischen Berufe hinüberspukt, die ums Verrecken nicht als solche gelten wollen.
Und wenn man nicht den Doktortitel huldigt, dann huldigt man Adelsprädikaten. Leider wurden diese aber schon mit der Weimarer Verfassung abgeschafft. Am 11. August 1919 um genau zu sein, also da lebte Tucholsky noch... und Guttenberg noch nicht. Bei vielen Deutschen Guttenberg Fans ist das scheinbar noch nicht angekommen... und immer noch ist in der Presse zu lesen, er könne ja zurück kommen. Ich hoffe redlich, er tut es nicht. Den Adel verpflichtet zu nichts mehr und Herr Guttenberg ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Unart, sein Werk aufzublasen, bis es vor Wichtigkeit dem Platzen nahe ist, nimmt derart überhand, dass der Standesdünkel heute auf alle Berufe übergegriffen hat – der Titelwahnsinn ist nur ein äußeres Zeichen dafür. (Daß sich auch die Frauen mit den Berufsbezeichnungen ihrer Männer anreden lassen, wird man einem Fremden nur schwer begreiflich machen.)
Manche Frau mag das auch heute noch tun, die Regel ist es nicht mehr. Aber wie wir an Frau Koch-Mehrin gesehen haben, Frau scheut auch nicht länger davor zurück sich selbst mit einem Titel zu behängen, den sie sich nicht selbst verdient hat.

Und jetzt der Schluss des Tucholsky Textes, den ich auch als ganzes zur Lektüre empfehlen möchte.

Der Standesdünkel liegt in derselben Schublade wie der Patriotismus. Vom Feuerwehrverein bis zum Vaterland sind nur wenige Schritte. Und daher sieht bei uns der Skatverein wie ein Staat und der Staat wie ein Skatverein aus.
So war es damals und so ist es heute, traurig, traurig...

Also, liebe Guttenberg-Verehrer, denkt noch einmal darüber nach wem ihr hinterherlauft. Es kann nicht schaden.

Lieben Gruß,



 
PS: Tucholsky hatte auch seine ganz eigene Plagiatsaffäre nachzulesen hier auf dem wundervollen Sudelblog.

Der Text „Standesdünkel und Zeitung“ findet sich auf den Seiten 375 - 379 des 4. Bandes, Kurt Tucholsky Gesammelte Werke, 1925-1926 erschienen bei Rowohlt

Scarlett Letter #1 - The Out-Campaign

Dies sind die Scarlet Letters, meine Rubrik in der ich etwas über meinen Unglauben an eine höhere Instanz erläutern möchte oder euch auf Themen die Atheisten bewegen aufmerksam machen möchte.

Mein erstes Thema ist der scharlachrote Buchstabe A und seine Verbindung mit der Out-Kampagne, die Richard Dawkins und einige Mitstreiter ins Leben gerufen haben. Sie existiert schon einige Jahre, aber sie hat in meinen Augen an Wert nicht verloren. 
Auch wenn es in Deutschland bei weitem nicht so ein Problem ist sich selbst zur Gottlosigkeit zu bekennen wie im Iran, wo man sein Leben riskiert oder wie in den USA, wo einen Ausgrenzung und soziale Isolation erwarten, so gibt es dabei doch noch oft genug seltsame Blicke und die große Frage: "Warum glaubst du an nichts?"

Aber dem ist gar nicht so. Atheisten glauben an alles Mögliche. Sie glauben an die Menschheit, halten den Humanismus für ein gutes Grundgebilde um seine Werte darauf aufzubauen und halten wenig von Mord, Raub und Vergewaltigung. Denn darauf baut man kein Wertesystem und auch keine Staaten auf... aber was hat man von einem Gott? Göttliche Gesetze sind nicht logisch, sie sind nicht aus Gutem Gewissen und bestem Wissen entstanden sondern richten, in der heutigen Zeit, allein nach überlieferten Schriften und angeblichen Offenbahrungen... und die Erfahrung in der Menschheitsgeschichte lehrt mich, das diese Gesetze oft unmenschlich sind oder zu solchen Zwecken gebraucht werden. Denn nicht Gott lebt auf Erden und muss mit seinen Nachbarn und Andersdenken auskommen, sondern der Mensch. 

Wir sehen Kriege, all über all auf der Welt und wieviele davon werden von Religionen betrieben? Der Blick wendet sich nach Osten... und sieht die vielen Staaten in denen die Menschen unter der Sharia leiden. Der Blick mag aber auch gen Westen wandern. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo es unmöglich ist, das ein Präsident gewählt wird der nicht religiös ist.

Ich muss mich nicht lange fragen, was geschehen wäre hätte George W. Bush nicht durch Gebete und Beratung mit Priestern erfahren das ein Krieg gegen den Irak etwas heiliges ist... Obama mag gemäßigter sein, aber den Druck der Religiösen fühlt auch er. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten leugnet man die Evolution, hält treu an der Bibel fest und mancher behauptet gar Obama wäre Muslim und Satan in einer Person.... es ist wirklich alles möglich.

Weltmächte, die solchen Aberglauben mit sich führen, sind bedrohlich.... und das soll jetzt kein blinder Anti-Amerikanismus sein, nur das Augenmerk des geneigten Lesers darauf richten. Was würde mit Europa geschehen, wenn die islamische Welt wirklich einmal gegen die christlich-amerikanische prallt?

Ich denke es ist an der Zeit sich nochmal Gedanken über das eigene Weltbild zu machen. Ich kann nicht beweisen das es Gott nicht gibt, aber wenn es ihn geben sollte, so hat er sich mir nie offenbart... was ich aber am eigenen Leibe erlebt habe ist die Bigotterie der Religiösen, denn sie ist auch in Deutschland noch all gegenwärtig. Steigende Kirchenaustritte mögen ein Zeichen dagegen sein, aber sie ändern bislang nichts daran, das in den Medien und in der Politik Religionen jeder Couleur noch immer das Recht beanspruchen für Mehrheiten zu sprechen. Sie sind aber nicht mehr die Mehrheit... Deutschland ist zu je einem Drittel katholisch, evangelisch und konfessionslos.

Das Problem aber ist, das die Konfessionslosen keine geeinte Stimme haben. Was auch schwierig ist, denn wir glauben nicht alle an das selbe.... und ich sage wir, auch wenn ich noch immer Kirchensteuer zahle.
Das hatte bislang den Grund, das ich im sozialen Bereich arbeite... und da mir irgendwann mal ein katholischer Priester Wasser über den Kopf goss bin ich katholisch... Nicht mehr lange, auch wenn ich dann Probleme haben werde bei religiösen Trägern Arbeit zu finden. Sie bekommen nicht viel von meinem Gehalt, aber hier geht es mir ums Prinzip... und zur Zeit bin ich bei einem konfessionslosen, gemeinnützigen Träger beschäftigt, das Geld kann in andere Form sicherlich sinnvoller und in meinem Sinne investiert werden.

Mein Block trägt den "Scarlet Letter" und daher werde ich von Zeit zu Zeit einen Blogbeitrag zum Thema Atheismus vs. Religion verfassen und den Attributen, die dieses Zeichen tragen sollte, gerecht werden.
In dem ich mich oute, in dem ich in meinen Beiträgen meine Gedanken hinaus in die Welt trage, in dem ich ausspreche was ich denke und fühle und in dem ich dafür Sorge, so gut wie ich es vermag, das Religionen und Staaten zwei verschiedene paar Schuhe werden und bleiben. Ausserdem werde ich euch mitnehmen auf meinem Weg... beim Kirchenaustritt... und allem anderen was sich aus dem Entschluss ergibt den Scarlett Letter zu tragen.



Wer sich, wie ich, Richard Dawkins Kampagne anschließen will der findet hier einen Link zur Out-Campaign
Wenn es so ist das ein Drittel der Deutschen nicht mehr an einen Gott glauben, dann sollten wir endlich auch in der Gesellschaft eine starke Lobby haben und uns nicht mehr von religiösen Menschen erklären lassen müssen was Moral ist und woher sie kommt. Ich persönlich halte religiöse Moral zumindest für fragwürdig, wenn nicht gar für absurd, aber davon ein anderes mal mehr...

Lieben Gruß,

Dienstag, 17. Mai 2011

Kurt Tucholsky - Der Prozess



Peter Panter - Der Prozeß
(erschienen am 9.März 1926 in der Weltbühne)

Tucholsky schildert hier seine eigenen Gedanken zu Kafkas Roman und schlägt dabei Töne an, die mich sehr an meine Leseerfahrung mit diesem Buch erinnern. Ich habe „Der Prozeß“ 2009 gelesen und kann mich bis heute noch sehr gut daran erinnern wie verstörend es war. Nicht weil es so desillusionierend und kühl geschrieben war, sondern aus dem gleichen Grund den Tucholsky benennt....

Der Autor erzählt, erzählt mit unerschütterlicher Ruhe – bald merke ich, daß es nichts Allegorisches wird – deute nur, du deutest nie aus. Nein, ich deute nie aus.

Was vermutlich jeder bestätigen kann, dem dieses Buch als Schullektüre vorgelegt wurde. Kafka entzieht sich jeder wirklichen Deutung... Man bekommt ihn nicht zu fassen und ich selbst war froh es nicht in der Schule lesen zu müssen, wo mir dann der Lehrer erzählt, wie man es zu verstehen hat. Zurück blieb ich dann aber doch mit sehr gemischten Gefühlen...

Tucholsky hat es gefallen, mich hat es eher verwirrt und etwas benommen zurückgelassen... und das der Roman unvollendet ist blieb unbemerkt. Das habe ich erst durch spätere Recherche erfahren.

Womit Tucholsky allerdings recht behält:

Franz Kafka wird in den Jahren, die nun seinem Tode folgen, wachsen. Man braucht Niemand zu ihm zu überreden: er zwingt.

Wobei Tucholsky vermutlich nicht die erzwungene Schullektüre meint, sondern solche Menschen wie mich, die irgendwann einfach nicht drum herumkommen und über Kafka stolpern. Kafka ist immer noch Teil des Kanons und wird es mit dem Interesse an postmodernen Romanen und dystopischen Welten sicherlich noch lange bleiben. Mehr von ihm zu lesen, dazu verleitet Tucholskys Rezension... aber das muss noch ein wenig Warten zur Zeit ist mein Kopf nicht bereit in Kafkas Abgründe zu steigen, auch wenn ich noch ein paar Bücher von ihm auf meinem SuB habe.

Der Text „Der Prozess“ findet sich auf den Seiten 370 – 374 des 4. Bandes, Kurt Tucholsky Gesammelte Werke, 1925-1926

Sonntag, 15. Mai 2011

Rezension: Der scharlachrote Buchstabe - Nathaniel Hawthorne

© dtv

Der scharlachrote Buchstabe.
Autor: Nathaniel Hawthorne
Übersetzung: Franz Blei u.a.
Format: Taschenbuch, 348 Seiten
Verlag: dtv
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3423132121
Klappentext:
Die junge Esther Prynne wird Mutter. Doch das Kind ist nicht von ihrem Gatten. Zur Strafe muss sie das Zeichen der Ehebrecherin tragen. Die Frage nach Schuld und Moral steht im Zentrum dieses amerikanischen Klassikers der Weltliteratur.

Mit „Der scharlachrote Buchstabe“ schrieb Nathaniel Hawthorn, eine der bis heute wohl berühmtesten Dreiecksgeschichten der Literatur. Im Rahmen eines historischen Romans wirft Hawthorne einen Blick in die Psyche der betroffenen Personen und das Werte und Moralsystem jener Zeit. 

Der erste Satz:
Eine gedrängte Menge von bärtigen Männern, in dunkelfarbigen Kleidern und grauen, hohen, spitz zulaufenden Hüten, wie von mit Kapuzen bedeckten oder barhäuptigen Frauen hatte sich vor einem Holzhause versammelt, dessen Tür aus schweren, starken Eisenbohlen mit eisernen Stacheln besetzt war.

Handlung:
Esther Prynne gebiert ein Kind, das unzweifelhaft nicht von ihrem Mann ist, denn dieser ist noch gar nicht in Bosten angekommen, reiste sie ihm doch voraus aus England in die „neue Welt“. Aufgrund dieses Vergehens landet sie im Gefängnis und schließlich zu ihrem Urteilsspruch am Pranger. Sie muss fortan den roten Letter A auf ihrer Brust tragen, als Zeichen ihrer Schande, damit jeder sieht, das sie eine unmoralische Person ist, die sich vor Gott und den Gesetzen versündigt hat.
Während sie noch am Pranger steht erscheint ein Fremder in der Stadt. Es ist ihr Ehemann. Auch diesem gegenüber verrät sie nicht wer der Vater des Kindes ist, doch er nötigt ihr ein Versprechen ab. Niemand im Ort soll erfahren wer er wirklich ist, und unter dem Namen Roger Chillingworth, wird er als Mediziner sesshaft in Bosten und sucht nun seinerseits nach dem Ehebrecher und Vater des Kindes.
Darüber vergehen Jahre während derer Esther sich einen Stand in der Stadt erarbeitet, trotz des Schandmales das sie trägt, nimmt sie ihre Strafe an und wagt es in die Zukunft zu blicken. Während die beiden Männer, Roger Chillingworth und sein Rivale Athur Dimmsdale, der Pfarrer aus Hesters Gemeinde, sich immer tiefer in einen Strudel aus Schuldgefühlen und Rachedurst verirren... 

Hintergründe:
Die Epoche der Geschichte ist vor allem durch das puritanische Weltbild geprägt, dem sich das Bosten dieser Zeit verschrieben hat. Die Geschichte spielt also in einem theokratischen System vor der Zeit der Aufklärung, deren Personen als Sektierer aus der Alten Welt vertrieben wurden und sich in der „neuen Welt“ ansiedelten um ihrem Gott näher zu sein.

Ein Vorfahr Hawthornes war John Hathorne, der in dem berühmt-berüchtigten Prozess von Salem einer der Richter war und Frauen als Hexen verurteilte. Es tritt deutlich zu Tage, das Nathaniel Hawthorne diese Prozesse nicht gut hieß. Im „scharlachroten Buchstaben“ benennt er deutlich die Begrenztheit der damaligen Wertevorstellungen und dem grassierenden Aberglauben, der unlösbar verquickt ist mit der tiefen Religiosität der puritanischen Auswanderer. Hawthorne spricht sich nicht konkret als Gegner der Religion aus, aber dem Aberglauben tritt er sehr kritisch entgegen.

Hawthornes Sprache ist sehr komplex und stilistisch kein kein leichtes Unterfangen. Ich dachte erst es läge vielleicht an einer etwas altertümlichen Übersetzung durch Franz Blei, aber ein Blick in das Original belehrte mich eines besseren. Hawthorne liebt lange, reichlich verschachtelte Sätze mit vielen Bilder und Methaphern. So bleibt Blei nur zur Last zu legen, das er die sprechenden Namen Esthers und Perles zwar ins Deutsche überträgt, dies aber bei den Männern unterlässt.

Dem Roman voran geht ein langes, fast fünfzig Seiten umfassendes,Vorwort des Autors, in dem er behauptet durch die Arbeit als Zollbeamter in Salem auf die Spur der Geschichte Esthers gesetzt worden zu sein. Dieses Vorwort an sich ist eigentlich schon eine eigene Geschichte und löste große Proteste zur Zeit der Erstveröffentlichung aus, zeichnet Hawthorne doch sehr kritische Bilder vom Beruf des Zöllners und den Offiziellen jener Stadt.

Zur Ausgabe des Deutschen Taschenbuch Verlages:
Die Ausstattung des Bandes ist reichhaltig. Neben einem ausführlicheren Klappentext im Innenteil enthält es Hawthornes erstes und zweites Vorwort, sowie ein 15seitiges Essay von Binnie Kirshenbaum, Professorin an der Universität von Columbia und selber Autorin. Zudem kommt noch ein umfangreichen Anhang, der zum tieferen Verständnis des Romans dient.

Charaktere und ihre Bedeutung:
Die zentralste Person ist wohl Esther Prynne, die sich gerade Aufgrund der Offenbarung ihrer Schande zu einer starken und im Leben fest verankerten Person entwickelt. Sie gibt ihre heimliche Liebe nie auf, sie verrät mit keinem Ton den Mann, der ebenso wie sie die Schuld trägt. Sie als alleinstehende Frau und mit dem Makel der Ehebrecherin behaftet, wird eine gut verdienende Frau in ihrem Beruf und eine Wohltäterin für die Armen. Legt man hier das calvinistische Prinzip zu Grunde, so ist sie eine recht-gläubige und gute Person.
Ganz im Gegensatz zu den Männern.

Athur Dimmsdale ist feige und angepasst. Er wagt es nicht, sich zu bekennen, verleugnet lieber die Frau und das Kind um seinen Beruf nicht zu verlieren. Stattdessen kasteit er sich selbst, heimlich natürlich, und lässt zu, das etwas, das aus Liebe geschah, Schande ist und Schande bleibt. Er wagt sich erst aus seinem Wandschrank als es für ihn längst zu spät ist...

Der aufgeklärtere Renaissance-Mensch Roger Chillingworth hingegen versucht sich an der Rache, aber es will ihm nicht recht gelingen. So zeigt er sich zu beginn des Romans nicht als der „Teufel“ den man vermutet, in dem er weder Esther noch der Tochter Perle etwas antut und beweist auch später seine etwas „aufgeklärtere“ Sicht, in dem er dem Kind keine Schuld aufbürdet.

Perle, das uneheliche Kind, das durch seine Mutter zu einem weiteren Symbol der „Schuld“ stilisiert wird, ist für mich der liebenswerteste Charakter der Geschichte. Sie zeigt sich in all ihrer Unschuld und mit kindlicher Weisheit. Ausgestoßen durch die Schande ihrer Geburt benutzt sie Hawthorne immer wieder als eine treibende Kraft um die Geschichte voran zu bringen. So dient ihre Person dazu den furchtbaren Aberglauben der Zeit zu offenbaren. Denn jeder, selbst die Mutter, interpretiert ihr Verhalten als elfisch, seltsam... Dabei erschien es mir im Gesamten so, als wäre Perle eigentlich genau das was sie ist, ein Kind. Sie spielt, sie wehrt sich gegen die Anfeindungen und bemerkt das seltsame Verhalten des Pfarrers, ohne zu wissen, warum dies so ist. Allerdings befrachtet Hawthorne das arme Kind mit manch seltsamer Fracht.


Bewertung:
Ich habe mir dieses Buch zugelegt, weil ich amerikanische Geschichte interessant finde und mich auch Gesellschaftsstrukturen und Religion interessieren. Da bot sich dieser Roman an, und wenn er etwas bietet dann sicherlich einen Einblick in die Bigotterie theokratischer Systeme.

Aber, der Roman war für mich kein einfaches Lesevergnügen, was ich vor allem dem Stil des Autors anlasten muss. So verschachtelt und mit Bildern versehen, wie der Text ist, musste ich Sätze sehr oft mehrmals lesen, was den Lesefluss hemmt und mich sehr gestört hat. Zudem wiederholen sich die Motive ein ums andere Mal und die Geschichte wirkt dadurch aufgebläht und der auktoriale Erzähler verliert sich in den blumigsten und übertriebensten Beschreibungen. Das alles ist Ballast, der es mir selbst unmöglich machte, die wirkliche Position des Autors zu erkennen.

Ein kleines Beispiel: 
Bei jedem andern Volke oder zu jeder spätern Periode der Geschichte von Neuengland würde die düstere Starrheit, welche die bärtigen Physiognomien dieser guten Leute versteinerte, verkündet haben, daß irgend etwas Entsetzliches bevorstehe: hätte nichts Geringeres als die erwartete Hinrichtung eines bekannten Verbrechers bezeichnen können, bei dem der Spruch eines Tribunals nur den der öffentlichen Meinung bestätigt hätte.
(Der scharlachrote Buchstabe: Seite 58-59)

Hinzu kommt das Vorwort, das zwar ein paar interessante Passagen enthält, für mich aber zum größten Teil unverständlich und nur durch den Anhang etwas zu entschlüsseln war. Der ganze Text birgt zwar viele schöne Bilder und hat sicherlich seinen aufklärerischen Wert aber das Lesen selbst kam mehr einem Dechiffrieren gleich als dem Lesen, was dem Ganzen sehr das Vergnügen nahm. Da ich eine der Verfilmungen bereits zuvor gesehen habe, entsprach dies überhaupt nicht meinen Erwartungen.
Zwischendurch wollte ich wirklich aufgeben oder nach einer gesäuberten Übersetzung suchen... ja, ich habe sogar während des Lesens die Schachtelsätze selbst auseinander genommen und in einfachere Strukturen gesetzt. Das ist mir wirklich noch nicht oft passiert.

Zu seiner Zeit mag „der scharlachrote Buchstabe“ verständlicher gewesen sein, aber für mich bleibt von der Lektüre nur ein bitterer Geschmack übrig. Es war anstrengend und harte Arbeit, ohne dadurch einen eigenen Wert zu haben, denn wirklich gelernt habe ich wenig. Verspürte ich nur einen Hauch von Müdigkeit konnte ich dem Text überhaupt nicht mehr folgen. Das macht das recht dünn wirkten Buch zu einem echten, schwer verdaulichen Brocken, der mir noch eine Weile schwer im Magen liegen wird, zudem sind die Charaktere in meinen Augen zu viel Klischee und zu-wenig echt. Esther ist zu gut um war zu sein... die Männer sind gruselig ich-bezogen und das alles ist trieft vor Pathos.

Etwas versöhnlicher Stimmte mich dass anschließende Essay von Binnie Kirshenbaum, es half mir auch dabei überhaupt eine Rezension zu dem Buch verfassen zu können, weil es Motive des Romans bloßlegte, die mir Aufgrund der Sprache, zwar auf der Zunge lagen, aber nicht in Worte zu fassen schienen.

Fazit:
Viel heiße Luft und eine extrem verkomplizierte Sprache, die diesem Werk und seinem Ansinnen in meinen Augen nicht gut tun. Es fällt schwer sich mit dem eigentlichen Gehalt des Buches zu befassen wenn man fast 80% der Lesezeit nur Bahnhof versteht...

Daher bekommt dieses Buch nur ✦✦✧✧✧




 



Buch Gossip:

Wie und wann kam das Buch zu mir?

Das Buch habe ich mir schon vor 2006 zugelegt. Ich erinnere mich noch es damals bereits angelesen es dann aber erstmal beiseite gelegt zu haben.


Bücher führen zu Büchern?
Nein, es kommt kein Buch oder Autor in diesem Buch vor und auch von Hawthorne selbst habe ich erstmal die Nase voll.

Habe ich etwas neues aus dem Buch gelernt?
Schwurbeliger Stil macht es nicht leicht einen Klassiker auch als solchen zu würdigen.

Dienstag, 10. Mai 2011

Literatur in der Presse

Die Angst vor der digitalen Nacktheit

... so schrieb am 06.05.2011 Burkhard Spinnen in Weltonline... ja, diese Angst gibt es auch bei mir. Nicht umsonst habe ich mich der Online Kampanie "I pledge to read the printed Word" angeschlossen. Kindle & Co brechen der Bibliophilin das Herz. Aber noch, und ich kann hoffen das es bis an mein Lebensende so bleibt, gibt es gedruckte Bücher, die mit ihren Lese- und Produktionskrankheiten lebendiger sind als ein digitales Stück Festplattenspeicher.

Lesekrankheiten, das sind gebrochene Rücken, Flecken auf den Seiten von Schokolade und Staub auf dem Schnitt. Der Gilb der Zeit, der an einem Medium des Wissens und der Kultur frisst, meinen Büchern, die mich schon lange begleiten und zu Herzstücken meiner selbst geworden sind. Sie altern mit mir... digitalen Medien fehlt diese Form von Charakter, die ich auch beobachten kann, wenn Mr. Gecko seine Vinyl-Platten hegt und pflegt. Diese Schallplatten standen zum Teil schon bereit endgültig in den Müll zu wandern, aber wir entdeckten rechtzeitig, das dieses Medium seine unschlagbaren Vorteile hat. Es ist groß und üppig, die Cover sind zum Teil echte Klassiker und innen drin kann man so manches absonderliche finden... manchmal lesen wie in einem Buch. Das ist wundervoll und genial und es bereitet einem nicht unbedingt Unbehagen wenn das Lieblingslied vom vielen abspielen knarzt und knackt. Das ist Lagerfeuerromantik pur. Werden CDs zu alt machen sie statt Romantik Technogeknatter... das ist nicht schön, das ist grausam. Und mp3? Wenn die irgendwann nicht mehr wollen, braucht man wieder einen neuen Player, der mit dem neuen digitalen und unsichtbaren Format umgehen kann. Aber digitale Musik hat mit ihrer Klangperfektion auch oft etwas staubfreies und klinisches. Das ist mit Platten nicht so... und ebenso sehe ich es mit dem digitalen Buch vs. der Papierausgabe

Donnerstag, 5. Mai 2011

The Secret of Lost Things - Sheridan Hay

© Harpercollins
Autor: Sheridan Hay
Format: Taschenbuch, 304 Seiten
Verlag: Harpercollins
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0007243921

Klappentext:
Eighteen-yaer-old Rosemary Savage has a scrapbook of cities and a passion for novels. When her beloved mother dies and her family hat business is sold, she decides to leave her home in Tasmania für the glittering spires of New York City and a fresh start on her own.
Soon after her arrival, Rosemary stumbles across the Arcade, a sprawling, ramshackle bookshop h0using teetering piles of rare and used Books, and staffed by a bunch of eccentric individuals. She's offered a job as a general helper, and is soon immersed in the bookshop's way of life. But when she becomes assistant to albino store manager Walter Geist, she unwittingly stumbles across a major literary cover-up - and realises that at this particular bookshop words are money and deception is power.
Rosemary Savage gerät auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden in die pulsende Metropole New York, doch anstatt sich in den Wirren der Großstadt zu verlieren, findet sie bald ihren Weg in die Buchhandlung „The Arcade“, wo sie zwischen Unmengen von gebrauchten Büchern und kostbaren gebundenen Schätzen glaubt, etwas wie daheim gefunden zu haben...
Denn die Welt, aus der Rosemary kommt, ist klein und beschaulich. Der Hutladen der Mutter, der Buchladen der Freundin „Chaps“, das ist ihre Welt in Tasmanien und so wächst sie zu einer sehr introvertierten Person heran, die viel in ihren Gedanken lebt und von den Metropolen der Welt nur träumt, wenn sie sich Bilder von Skylines in ihr Notizbuch malt oder einklebt. Gelegentliche Ausflüge nach Sydney sind alles was Rosemary bis zu ihrem 18. Lebensjahr von der großen Welt zu sehen bekommt.

Montag, 2. Mai 2011

Meine wunderbare Buchhandlung - Dirk Kruse (Hrsg.)

© ars vivend
Autor: Diverse
Gebundene Ausgabe: 272 Seiten
Verlag: ars vivendi verlag
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3869130378

"Meine wunderbare Buchhandlung“ ist ein haptisch und optisch schön gestaltete Kurzgeschichtensammlung über die Liebe zum Buch, aber vor allem geht es um den Ort, an dem man der Büchersucht frönen und die Schätze erwerben kann.
Autoren wie Ulla Hahn, Herbert Rosendorfer, Thommie Bayer und viele mehr haben jeder auf seine Art dem Buchladen seinen Zauber verliehen. Teils biographisch, teils kritisch, selbstironisch im Büchersupermarkt oder auch phantastisch nähern und umkreisen sie den Ort und geben ein jeder sein Scherflein zum Zauber des Buchladens dazu.

Der Herausgeber Dirk Kruse, selbst Krimiautor, fand das es im Bereich der bibliophilen Büchern noch an einem fehlte. Einem Buch über die Buchhandlung und Buchhändler. Er gewann Autoren für sich, die Geschichten dazu beitrugen und in meinem Augen ist ihm sein Vorhaben gelungen.

Natürlich sind die Geschichten und Essays für den Leser von sehr unterschiedlicher Qualität, so konnte ich mich besonders für die autobiographischen und fantastischen Stücke begeistern. Alle Erzählungen haben aber ihren Wert und gemeinsam mit der schönen Gestaltung hat sich dieses Buch einen festen Platz in meiner Bibliothek erobert. Für mich ist es ein Buch, das bei einer schönen Tasse Kaffee oder Tee für Momente der Ruhe sorgen kann, das hier und da nachdenklich macht oder zum Träumen einlädt. Ein echter, kurzweiliger Genuss...

Ich vergebe ✦ ✧ 

Sonntag, 1. Mai 2011

Sonne und ein langer Spaziergang...

Ich lebe seit ich denken kann in Düsseldorf, gehe hier zur Arbeit und fühle mich hier wohl... allerdings ist Düsseldorf in meinen Augen keine schöne Stadt. Aber es gibt hier Fleckchen, die sind wirklich bezaubernd. Heute, da es auf der Terrasse zu windig und kühl war, bin ich also raus etwas spazieren und letztendlich hat es mich auf den Golzheimer-Friedhof verschlagen. Der Friedhof ist nicht mehr aktiv, beherbergt aber einige historische Gräber und war in der letzten Zeit oft in der lokalen Presse, weil er von der Stadtseite nun fast gänzlich von den wuchtigen, hässlichen Glasbauten der Provinzial versteckt wird.
Quelle: Wikipedia.de
Trotzdem mag ich den Ort sehr... spätestens seit heute wieder, als ich dort mit einem Becher Kaffee und "Der scharlachrote Buchstabe" eine Weile saß und das schöne Wetter genoss.

Während im Hofgarten sich die Menschenmengen auf den Wiesen und Wegen fast schon drängten, war es hier sehr ruhig, zudem angenehm windstill und schattig. Genau richtig für die sprachlich ziemlich anspruchsvolle Lektüre, die ich mir für den Beginn des Monats ausgesucht habe. Angeregt vom ständigen Auftauchen eines Briefwechsels zwischen Herman Melville und Nathaniel Hawthorne in "The Secret of Lost Things" habe ich mich dazu entschieden den "Scharlachroten Buchstaben" von meinem SuB zu fischen. Da liegt es schon ziemlich lange... jetzt nicht mehr.

Das war ein schöner 1. Mai, vielleicht wird der ganze Monat ja so schön bleiben.